Sebastian beeilte sich, das Geld zu besorgen, um die Zeit zu verkürzen, in der Anthony irgendwas dummes sagen konnte, Ruby beleidigen oder am Ende noch aus dem Nähkästchen plaudern.
Als Trinkpartner war Anthony unschlagbar, das musste Sebastian klaglos anerkennen, aber nüchtern wurde er schnell ziemlich anstrengend, und verkatert erst Recht.
Der Geldautomat war Gott sei Dank nicht weit weg, doch er musste eine Weile anstehen.
Als er zehn Minuten später wieder zu den Nasenschwanzschweinchen oder wie die hießen kam, sah Ruby schon ordentlich genervt aus.
Offenbar hatte er schon gemerkt, dass Anthony nicht der Charmebolzen vom Dienst war.
Doch verplappert hatte sich der ältere Junge immerhin offenbar nicht.
"Okay, hier ist dein Scheinchen", sagte Sebastian und drückte Anthony einen Fünfziger in die Hand. "Ruf an, wenn du fertig mit Essen bist."
"Kommt ihr nicht mit?", fragte Anthony. "Ach komm, Sebby."
Sebastian fuhr sich über den Nacken und seufzte, hoffentlich nicht zu genervt.
"Ja, na gut", meinte er und sah Ruby entschuldigend an. "Wir müssen ja nichts essen. Ich zumindest bin noch satt."
Er nahm Rubys Hand, als Anthonys Handy klingelte.
Der Junge zog es aus seiner Tasche und sah drauf.
"Hm, die Nummer kenn ich gar nicht", meinte er und nahm den Anruf an. "Anthony Smythe?"
Ertappt schloss Sebastian einen Moment die Augen.
Verdammt.

Anthony Smythe?
So wie... Sebastian Smythe?
Ruben warf seinem Freund einen einigermaßen verwirrten Blick zu.
Merkwürdiger Zufall, ob er das wohl schon mitbekommen hatte?
Sebastians Gesichtsausdruck war Antwort genug.
Er wusste es anscheinend ziemlich genau, und er sah irgendwie ertappt aus.
So als hätte er gehofft, dass vor dem Jüngeren geheimhalten zu können.
Ruben runzelte die Stirn und griff nach Sebastians Arm, um ihn etwas von dem telefonierenden Jungen wegzuziehen.
"Du hast doch gar keinen Bock auf ihn, oder?", fragte er und ruckte mit dem Kopf verstohlen in Anthonys Richtung.
"Was machen wir dann hier? Babysitter für Mr. No-Future spielen?"
Er verschränkte die Arme vor der Brust.
"Seid ihr eigentlich verwandt oder so?"
Dann sollte er vielleicht nicht zu sehr drauf los lästern, aber in der kurzen Zeit, in der er mit Anthony alleine gewesen war, war ihm der verzogene Kerl ganz schön auf den Keks gegangen.
Die Aussicht darauf jetzt den ganzen Tag mit ihm zu verbringen, ließ ihn nicht gerade in einen Freudentanz ausbrechen.

Sebastian ließ sich widerwillig von Ruby beiseite bugsieren.
War ja klar, dass Ruby gleich Lunte gerochen hatte.
Smythe war ja auch nicht gerade geläufig, so wie Smith oder Jones.
Doch um jetzt herum zu flunkern, waren Ruby und er enideutig schon zu lange zusammen.
Mal abgesehen davon, dass Sebastian seinen Freund nicht anlügte, würde Ruby es auch sofort durchschauen.
"Nein, ich hab keinen Bock auf ihn", murmelte er und warf einen Blick zu Anthony, der gerade mit jemandem am Telefon lachte. "Das ist... er ist mein Cousin. Er ist der Sohn von... naja, von Titus. Er und seine Mutter sind nach der ganzen Sache hierher nach San Francisco gezogen. Und wenn ich hier bin..."
Sebastian zuckte ziemlich resigniert mit den Schultern.
"Er ist nicht gerade pflegeleicht, aber ich bin sein Cousin. Und irgendwie bin ich ja auch Schuld, nicht?"
Den letzten Satz nuschelte Sebastian fast nur noch, einerseits, damit Ruby es im besten Fall gar nicht verstand, und andererseits, weil Anthony schon wieder hinter Ruby auftauchte und ihm die Kamera aus der Hand schnappte.
"Was tuschelt ihr denn, ihr Zuckerstücke?", fragte er und stellte sich neben Sebastian.
Er setzte ihm sein Basecap auf und hielt die Kamera vor sie, während er einen Arm um seinen Cousin legte.
"Sag mal Käsefritten!", rief er und Sebastian zwang sich zu einem Lächeln.



"Auf die hab ich nämlich jetzt ordentlich Kohldampf", meinte Anthony und drückte Ruby wieder die Kamera in die Hand. "Wolln wir?"
Sebastian warf Ruby einen entschuldigenden Blick zu und nickte dem Älteren dann zu.
"Ja, dann lass uns dir was zu Essen suchen, damit du endlich den Rand hältst. Am Ende knabberst du noch die Schweinchen hier an."

Ruben legte den Kopf schräg und betrachtete seinen Freund nachdenklich, während der sprach.
Manchmal kam ihm seine eigene Familie geradezu normal vor.
Es war schade dass Anthony direkt wieder bei ihnen war, noch bevor er die Chance gehabt hatte etwas zu sagen.
Aber das wäre sowieso nicht das richtige Gesprächsthema für den Zoo gewesen.
Aber trotzdem... gab sich Sebastian wirklich die Schuld?
Immer noch?
Er hatte gedacht, dass die Zeiten vorbei waren.
Der Einzige der hier gerade seinen Spaß zu haben schien war Anthony.
Ruben nahm die Kamera wieder entgegen und steckte sie ein, bevor sie sich auf die Suche nach etwas Essbaren machten.
Wenige Minuten später hatte Anthony seine Käsefritten vor sich stehen und würde jetzt hoffentlich für eine Weile mit Futtern beschäftigt sein.
Ruben besorgte sich noch schnell eine Cola, dann setzte er sich zu Sebastian und seinem Cousin an den Tisch.
Er nippte an dem Getränk, dann hielt er es einladend seinem Freund entgegen.
"Ich plädiere nach wie vor für die Koalas", erklärte er lächelnd.

Wenn Sebastian ehrlich war, hatte er erwartet, dass Ruby anders reagieren würde.
Er hatte ja aus gutem Grund nicht sofort damit raus gerückt, dass Anthony sein Cousin war.
Klar hatte Ruby immer viel Verständnis für ihn, aber irgendwann sollte man seine Vergangenheit ja mal in den Griff bekommen.
Und es war ja nicht so, als würde Sebastian besonders drauf stehen, Anthony die ganze Zeit den Hintern mit Rosenöl zu massieren.
Aber Schuldgefühle wurde man so schnell nicht los, und Anthony hatte die nette Angewohnheit, die Mitleidskarte auszuspielen, wenn Sebastian Anstalten machte, ihn nicht mehr auf Händen zu tragen.
Sebastian konnte ihn förmlich hören, 'Meine Mom hat ja sowieso nie Zeit, und so ohne Dad... ich meine, stell dir mal vor, dein Dad würde dein ganzes Leben im Knast sitzen. Meine Mom arbeitet nur und ich hab keine Ahnung, was ich mit meinem Leben anfangen soll, weil ich keinen hab, an dem ich mich orientieren~ Alter, hast du das Schnuckelchen da hinten gesehen?? Der is tso was von fällig, halt mal mein Bier!'
"Koalas?", fragte Sebastian verwirrt, als Ruby ihn aus seinen Gedanken riss und ihm seine Coke vor die Nase hielt. "Ach so. Ja, da bin ich auch für. Die hab ich noch nie in Natura gesehen."
"Das sind doch bloß hässliche, graue Affen", meinte Anthony mit vollem Mund.
"Bären", sagte Sebastian und trank einen Schluck Zuckerwasser.
"Was?"
"Koalas sind Bären."
"Hast du das auf einer der Kinderinfo-Tafeln gelesen, Sebby-Bubby?"
"Nein, ich war in der Grundschule", erwiderte Sebastian und musste jetzt doch grinsen. "Los, iss auf, mein Freund will Koalas sehen."
Vielleicht musste er einfach nur Dauerblau sein, wenn er mit Anthony unterwegs war.
Unter Alkoholeinfluss war sein Cousin amüsanter als jedes Trinkspiel.
"Mein Freund will Koalas sehen", äffte Anthony ihn nach und warf sich die letzten, verschrumpelten Fritten in den Mund. "Na dann lasst uns mal die Affen sehen."
Sebastian sparte sich einen weiteren Kommentar und trank noch einen kleinen Schluck Cola, bevor er aufstand.
Am Koala-Gehege war wie erwartet eine riesige Menschentraube und an die Gitterstäbe war kein Herankommen.
"Mist", sagte Sebastian und stellte sich auf die Zehenspitzen, um einen Pfleger auszumachen, den er bestechen konnte. "Das ist total verstopft. Ruby, ich fürchte~"
"Lass mal den Meister machen", sagte Anthony und klopfte ihm auf die Schulter.
Dann fing er an, zu schreien.
"Nala hat Wehen! Das Baby kommt, das Baby kommt! Mit Live-Übertragung!"
Erschrocken griff Sebastian nach Rubys Arm, als sofort ein aufgeregter Tumult entstand, weil alles vom Koala-Gehege weg stürmte.
"Wer ist Nala?"
"Na, dieser schwangere Löwe. Da hingen doch überall Plakate am Eingang, die hab ich gesehen, als ich auf euch gewartet habe. Et voilá!"
Inzwischen hatte man schon einen freien Blick auf das Koala-Gehege, in dem die Pfleger ratlos mit den Tieren standen und sich nach ihren begeisterten Zuschauern umsahen.

Ruben warf Anthony einen genervten Blick zu, als der anfing Sebastian nachzuäffen.
Dass sein Freund wirklich glaubte sich das gefallen lassen zu müssen...
Die Koalas waren hier nicht die Affen, ganz bestimmt nicht. Überhaupt, so etwas hatte er noch nie gehört.
Nein, der Affe, oder bessergesagt der Lackaffe saß hier mit Sebastian und ihm am Tisch.
Leicht angesäuert stand Ruben auf und machte sich mit den beiden Smythes auf dem Weg zum Koala-Gehege.
Dass das nun auch noch von einer riesigen Menschenmenge belagert wurde passte ja wunderbar in den Tagesablauf.
Ruben verzog enttäuscht das Gesicht. Er hätte Sebastians Worte gar nicht gebraucht um festzustellen, dass da kein Durchkommen war.
Als Anthony auf einmal etwas von einem Baby und Wehen herumbrüllte, glaubte er, dass Sebastians Cousin nun völlig den Verstand verloren hatte. Immerhin war Anthony ja nur mit ihnen beiden hier, und es hätte Ruben doch sehr verwundert wenn einer von ihnen gerade ein Kind bekommen würde.
Noch mehr verwunderte ihn aber das Chaos, dass den Worten folgte.
Erschrocken wich er zurück und spürte zum Glück auch direkt Sebastians Hand an seinem Arm. Er ließ sich zur Seite ziehen und beobachtete total verdattert, wie sich die Menschenmenge verstreute.
Bei Anthonys Erklärung musste er dann doch lachen.
Der Junge mochte zwar ein verzogener Schnösel sein, aber lustige Ideen hatte er.
"Gute Arbeit", grinste er und blieb noch einen Moment stehen, um nicht zu sehr wie ein ungeduldiges Kind zu wirken, doch dann schoss er schnurstracks auf das Gehege zu.
"Oh guck mal, sind die nicht süß?", jubelte er und strahlte die Pfleger an. "Kann man die echt auf den Arm nehmen und so?"
"Naja, das ist unser Angebot für Kinder...", meinte einer der jungen Männer unschlüssig.
"Ich seh hier keine Kinder."
Demonstrativ sah Ruben sich um und fixierte dann wieder den Pfleger, der gerade mit ihm geredet hatte. "Also?"
"Na, dann komm. Aber die Tasche bleibt draußen. Sicherheitsvorschriften."
Zufrieden drückte Ruben Sebastian seine Tasche in die Hand und ging auf den Tierpfleger zu, der bereits eins der niedlichen Tiere auf dem Arm hatte.

Sebastian warf Anthony einen anerkennenden Blick zu.
Das hätte er wirklich nicht erwartet, dass sein Cousin, so verkatert und gelangweilt, wie er war, solche Einfälle haben konnte.
Doch jetzt galt seine Aufmerksamkeit wieder seinem verzückten Freund, der sich bereits eins der Tiere rüber reichen ließ.
Sebastian grinste.
Er wusste gar nicht, was niedlicher war, der Koalabär oder sein Freund, der wie ein kleines Kind strahlte.
Insofern hätte der Pfleger gar keinen Mini-Aufstand üben müssen.
Wahrscheinlich wäre Sebastian selbst zum Kind mutiert, wenn er so ein süßes Tier auf den Arm gesetzt bekommen hätte.
"Lass ihn nicht fallen", warnte Sebastian, nicht ganz im Ernst. "Ich bin zwar reich, aber ob meine Eltern einen Koala bezahlen, ist fraglich."
Er griff nach der Kamera und stellte sich so hin, dass Ruby die hellgraue Gehegewand im Hintergrund hatte, dann schoss er das erste Bild.



"Gott, wie Süß", lachte Sebastian und sah zu seinem Cousin, der aber ziemlich gelangweilt die Umgebung betrachtete und in seinen Hosentaschen nach etwas kramte.
Konnte ihm egal sein, der Kerl.
Er hatte ihn mitgenommen, oder?
Das musste doch reichen.
Hoffentlich sah Anthony das genau so, und vor allem seine Mutter.
"Ruby", sagte Sebastian, damit sein Freund zu ihm sah, und lächelte, während er noch einmal abdrückte.



"Hey, was machen Sie da?", fragte der Pfleger auf einmal und sah aufgebracht zu Anthony.
Sebastian drehte seinen Kopf und bekam gerade noch so mit, wie sein Cousin sich eine Zigarette ansteckte.
"Bist du bescheuert?", zischte Sebastian. "Was soll das?"
"Was? Darf ich nicht mal eine paffen?"
"Der Geruch regt die Tiere auf!", sagte der Tierpfleger wütend. "Machen Sie die Zigarette aus!"

"Du musst keine Angst haben, ich lass dich schon nicht runter fallen", erklärte Ruben dem Koala und hob ihn so hoch, dass ihre Gesichter genau voreinander waren.
"Ach, guck dir mal deine Ohren an, die sind ja puschelig. Du bist aber auch ein niedliches Kerlchen."
"Wie man's nimmt. Das ist Charlotte", warf der Pfleger belustigt ein.
Ruben sah kurz verwirrt zu ihm, bevor er die Koaladame erneut betrachtete.
"Ups... Nicht persönlich nehmen, Charlotte", bat er und nahm sie etwas anders auf den Arm.
Für so ein kleines Tierchen war die Gute nicht gerade ein Fliegengewicht.
"Weißt du was? Ich nenn dich Charly, okay? Dafür darfst du mich Ruby nennen, aber verrat das nicht meinem Freund, nacher wird der noch eifersüchtig."
Er war ein bisschen irritiert als er kurz darauf wirklich seinen Namen hörte, aber das konnte ja kaum der Koala gewesen sein.
Zufrieden grinste er Sebastian an, der auch direkt ein Foto von ihm schoss.
Er unterhielt sich noch eine Weile blendend mit Charly, auch wenn diese Unterhaltung zugegebenermaßen ein bisschen einseitig war.
Das machte nichts, wer so süß und flauschig war, der musste nicht auch noch sprechen können.
Er war so vertieft gewesen, dass er gar nicht mitbekommen hatte, dass Anthony auf die geistreiche Idee gekommen war, genau hier eine Kippe anzuzünden.
Ruben hatte zwar nicht darauf geachtet, ob hier Verbotsschilder standen, aber mit ein bisschen gesundem Menschenverstand sollte man doch wohl von alleine darauf kommen, dass das nicht der beste Einfall war.
Sollte man... Anthony bildete da wohl eine Ausnahme.
Der Ältere der Tierpfleger drohte schon damit, ihn herauszuschmeißen, weil er zu stur war die Kippe wieder auszumachen.
"Oh, das heißt wohl, dass es für uns Zeit wird, Charly", flüsterte er dem Koala zu während er Sebastian ansah, der ziemlich genervt wirkte.
Kein Wunder, wenn man es recht bedachte.
"Grüß deine Kollegen von mir, okay? Und lass dir nicht von irgendwelchen Kindern Kaugummi ins Fell kleben, ich hab gehört das geht schwer wieder raus."
Er gab den Bären an den Pfleger zurück und ging zu Sebastian.
"Lass uns mal weiter, bevor gleich der wütende Mob zurückkommt und uns lyncht weil es doch keine Löwenbabys gibt", bat er, um Anthony nicht so eindeutig als Buhmann hinzustellen.

Sebastian seufzte genervt, als der Pfleger natürlich sofort Anstalten machte, Ruby das Tier wieder weg zu nehmen.
Dabei hatte Ruby gerade richtig glücklich und zufrieden ausgesehen.
Wann hatte er noch mal Geburtstag?
Ob man besondere Auflagen erfüllen musste, um ein Koala-Baby halten zu können?
Oder er bekam einfach einen Kuschel-Koala, der machte wenigstens keinen Dreck und war um einiges billiger.
Musste er sich nur den Namen 'Charly' merken.
Und Ruby konnte es sowieso nicht leiden, wenn der Ältere ihm teure Geschenke machte.
"Tut mir wirklich Leid", meinte er und gab Ruby einen entschuldigenden Kuss gegen die Schläfe, bevor er seinem Cousin einen wütenden Blick zu warf.
"Wie lange soll der Trip hier eigentlich noch dauern?", moserte Anthony.
"Wir sind gerade erst her gekommen", sagte Sebastian stirnrunzelnd.
"Ich dachte, wir hauen uns an den Pool."
"Machen wir doch noch."
"Ich hab keinen Bock mehr."
Sebastian blieb stehen und biss sich hart auf die Unterlippe, während er überlegte, was er jetzt machen sollte.
Schließlich drehte er sich zu seinem Freund um und sah ihn bittend an.
"Ist es schlimm, wenn wir... vielleicht morgen oder so noch mal her kommen?"
"Ja, ist es schlimm, Baby?", säuselte Anthony und legte von hinten sein Kinn auf Sebastians Schulter ab, während er den Jüngeren bettelnd anblinzelte. "Oder bist du dann traurig, weil du nicht mehr Pony reiten konntest?"
Sebastian versteifte sich und presste die Lippen zusammen.
Nicht nur, dass er es hasste, wenn jemand anderes seinen Freund Ruby nannte, noch viel weniger konnte er es leiden, wenn sich jemand über Ruby lustig machte oder über ihre Beziehung.
Aber er sagte nichts, hätte sowieso nichts als Belustigung bei seinem Cousin hervor gerufen.

"Schon okay", sagte Ruben lächelnd, während er sich wirklich zusammenreißen musste um Anthonys Gesicht nicht mit einem gezielten Faustschlag wieder von Sebastians Schulter herunter zu befördern.
Sein Eindruck hatte ihn also doch nicht getäuscht.
Anthony Smythe mochte zwar ab und zu ganz amüsant sein, aber in erster Linie war er ein Idiot.
Ein riesiger, aufgeblasener, herablassender Idiot.
Doch Sebastian konnte ja nichts dafür, deshalb schluckte Ruben seine schlechte Laune herunter so gut es ging und hakte sich bei seinem Freund ein, wobei er ihn direkt etwas von seinem Cousin weg zog.
"Wenn du willst können wir nochmal wiederkommen und uns den Rest ansehen", nickte er.
"Wir könnten uns morgen aber auch ein Auto mieten und einfach drauflos fahren... Irgendwohin wo es uns gefällt, und da bleiben wir einfach. Wir könnten ja pickfi~... ähm, picknicken", korrigierte er sich schnell und grinste.
Okay, das war nicht unbedingt ein Versprecher gewesen, eher ein etwas ärmlicher Versuch Sebastian wieder gute Laune zu machen.
Ob Anthony jetzt wirklich den Plan hatte ihnen den Tag zu versauen, oder ob das eher eine passive Fähigkeit war die er mit sich herumtrug ohne etwas daran ändern zu können, gelingen würde es ihm jedenfalls nicht.
"Dann lass uns mal zum Pool", meinte er, während sie den Zoo verließen.
An sich war ja Strand abgemacht gewesen, aber der Pool hatte den großen Vorteil, dass er sich ohne große Umstände ins Hotelzimmer verkrümeln konnte, wenn Anthony ihm zu sehr auf die Nerven ging.

Sebastian atmete unbemerkt, aber ziemlich erleichtert auf.
Gott segne Rubys Gelassenheit, auch wenn sie heute wohl auf eine ziemlich harte Probe gestellt wurde.
Der Ältere grinste bei Rubys kleinem Versprecher und sah seinen Freund von der Seite an.
"Klingt nach einem guten Plan", sagte er.
Anthony trabte hinter ihnen her und steckte sich, kaum waren sie durch den Zooausgang, wieder eine Zigarette an.
"Seit wann rauchst du eigentlich?", fragte Sebastian.
"Seit ich festgestellt habe, dass es Leute richtig schön nerven kann. Kleine Koala-Affen zum Beispiel."
"Ist mir schon klar, dass du Affen zu Leuten zählst", grinste Sebastian, während er sein Handy heraus holte, um ihnen ein Taxi zu bestellen.
"Wir müssen aber noch mal in die Stadt", sagte Anthony. "Ich hab keine Badehose dabei."
"Hätte mich auch gewundert. Du kannst eine von mir haben, ich hab zwei dabei."
"In die du schon mal rein gewichst hast?"
Sebastian schüttelte genervt den Kopf.
"Ich schüttel dir doch auch deine Hand, oder?", entgegnete er dann. "Wie oft hast du da schon rein gewichst? Die ist noch ganz neu, da ist sogar noch das Preisschild dran. Mal abgesehen davon, dass ich es nicht mehr nötig habe, selbst zu wichsen."
"Ach ja, du hast ja jetzt deine persönliche Melkmaschine hier", grinste Anthony und haute Ruby auf den Hintern.
"Hey!", rief Sebastian und schlug seine Hand weg.
"Jetzt stell dich mal nicht so an", lachte Anthony. "Als ob du der einzige wärst, der da drin abspritzen darf."
Sebastian presste seine Kiefer hart aufeinander.
Am liebsten hätte er seinem Cousin jetzt gehörig eine gefeuert.
Wäre nicht das erste Mal, dass er jemanden zurecht wies, der seinen Freund angrapschte.
Aber Anthony...
"Mach das nicht nochmal", sagte er also nur und wählte die Nummer des Taxiunternehmens.

Wäre das hier nicht das echte Leben sondern ein Comic, wäre Ruben wohl mittlerweile knallrot im Gesicht, während ihm Rauch aus den Ohren schoss.
Doch das war es nicht, deswegen schaffte er es anscheinend ganz gut sich nicht anmerken zu lassen, dass er Anthony mit jeder verstreichenden Sekunde lieber den Hals umdrehen würde.
Der Kerl benahm sich wie ein Fünfjähriger... Nein, wie eins von diesen kleinen Mädchen, die sobald sie Laufen konnten von ihren Müttern zu Schönheitswettbewerben gezerrt wurden und dabei völlig abhoben.
Wie konnte man sich so anstellen wegen einer Badeho~
Ruben quiekte erschrocken, als Anthony ihm auf einmal auf den Hintern schlug.
Empört drehte er sich um und bekam auch noch mit, dass Sebastian die Hand seines Cousins zur Seite schubste.
Und der dämliche Spruch von Anthony... Ruben lächelte grimmig.
So, damit sollte er den Bogen doch wohl überspannt haben, oder?
Erwartungsvoll sah er Sebastian an, doch der nuschelte nur eine kurze Ermahnung und fing an auf seinem Handy herum zu tippen.
"Wie bitte?", fragte er und verschränkte die Arme. "Mach das nicht nochmal? Ernsthaft jetzt? Der Klaps interessiert mich ja nicht einmal unbedingt, aber hörst du dem Idioten eigentlich zu?"
Er ging auf Anthony zu und bohrte seinen Zeigefinger in die Brust des Jungen.
"Seit du hier bist benimmst du dich wie ein beschissenes Kleinkind. Ich weiß nicht, ob dir das schonmal jemand gesagt hat, wahrscheinlich nicht. Vielleicht wärst du dann ein bisschen umgänglicher."
Er kniff die Augen zusammen und funkelte ihn wütend an.
"Und auch wenn es dich nichts angeht, Sebastian ist der Einzige, der da drin abspritzen darf. Und selbst wenn das anders wäre, ich hab immer noch zu viel Geschmack um deine Hände an meinem Arsch haben zu wollen."
Wütend drehte er sich zu Sebastian.
"Lass uns einfach ins Hotel, okay? Ich hab keinen Bock mehr!"

"Wow wow", sagte Anthony und hob abwehrend seine Hände. "Reg dich ab, Sweety, ich hab doch nur Spaß gemacht."
Er sah zu Sebastian und zog die Augenbrauen hoch.
"Da hast du ja eine charmante Begleitung."
"Er hat Recht", sagte Sebastian. "Du benimmst dich rücksichtslos, Anthony."
"'Du benimmst dich rücksichtslos, Anthony!'", äffte der andere Smythe ihn nach und lachte dann.
"Indem du einfach alles wiederholst, was ich sage, klingst du nicht gerade intelligenter."
"Warum machst du mich denn jetzt an?", fragte Anthony. "Wenn ich mich zurecht weisen lassen wollte, würde ich meine Mom anrufen. Oder meinen Dad~ ach nein! Den hat dein Dad ja in den Knast verfrachtet!"
"Das schon wieder", seufzte Sebastian und fuhr sich durch die Haare.
"Da kommt das Taxi", sagte Anthony. "Geht's jetzt an den Pool oder will dein Lover weiter beleidigte Leberwurst spielen?"
"Jetzt hör doch mal auf", murmelte Sebastian. "Ja, wir..."
So eine Scheiß-Situation.
Jetzt war Ruby sauer auf ihn und verlangte, dass er den Ausflug hier abbrach.
Und Anthony erwartete natürlich, dass Sebastian sich auf die Seite seines Cousins stellte.
"Du kannst ja...", wandte sich Sebastian an Ruby und sah ihn entschuldigend an. "Also, du musst nicht mit an den Pool kommen, dann... geh ich eben mit Anthony alleine."
"Oh, ist er jetzt beleidigt?", fragte Anthony und schob die Unterlippe vor.
"Kannst du nicht einfach mal deine Klappe halten?", fragte Sebastian aufgebracht und öffnete die hintere Tür des Taxis, um Ruby hinein zu lassen, doch Anthony, der jetzt wohl endgültig in den Arschloch-Modus geschaltet hatte, drängte sich einfach auf die Rückbank.
Sebastian blieb jetzt nichts anderes übrig, als sich mit hinten rein zu setzen und Ruby auf dem Beifahrersitz zu parken, wenn er seinen Freund nicht gerade mit seinem unausstehlichen Cousin auf der Rückbank allein zu lassen.

Als Anthony die 'Mein Dad ist im Gefängnis' Platte auflegte, hätte Ruben wirklich kotzen können.
Es schien dem Jungen ja nichtmal in den Sinn zu kommen, dass sein Vater es vielleicht verdient haben könnte.
Aber er konnte da auch schlecht etwas zu sagen, ohne Sebastians Geheimnis zu verraten, deswegen blieb er erstmal ruhig.
Auch als Anthony seine Klappe immer noch nicht hielt und immer weiter stichelte.
Zum Glück kam das Taxi relativ schnell.
Jetzt konnten sie weg fahren und den Vollspaten hier stehen lassen und...
Aber nein.
Im Gegenteil, Sebastian schlug vor, dass er sich ja verziehen könnte.
Okay, dann würden sie Anthony mitfahren lassen, irgendwann auf der Taxifahrt würde er Sebastian bestimmt davon überzeugen können...
Da hatte er sich ebenfalls geirrt, denn ehe er sich versah saßen die beiden Cousins auf der Rückbank und für in selbst blieb nur der Beifahrersitz.
Na wunderbar.
Er hüllte sich in eingeschnapptes Schweigen bis sie am Hotel angekommen waren, und auch dann sagte er nicht mehr viel.
"Bis später", murmelte er nur kurz und ging direkt in das Zimmer zurück, in dem Sebastian und er wohnten.
Wenn er Glück hatte kam Sebastian alleine um die Badehosen zu holen, wenn Anthony jetzt auch noch mit hochkommen würde wäre er nirgends vor der kleinen Pestbeule sicher.

"Ruby...", sagte Sebastian beschwichtigend, als der sofort abzog, kaum waren sie aus dem Taxi gestiegen.
"Meine Fresse, der ist aber auch dünnhäutig", meinte Anthony.
"Oder du bist ein ignoranter Arsch", entgegnete Sebastian und sah ihn schlecht gelaunt an. "Macht dir das Spaß?"
"Ja, ziemlich, kann nicht klagen. Sag mal.."
"Was jetzt?", seufzte Sebastian.
"Ist das bei euch wirklich so was ernstes oder meinst du, du könntest ihn mir mal ausleihen?"
Der Student sah seinen Cousin mit halb geöffnetem Mund an, dann stellte er sich nahe vor ihn und stemmte die Hände in die Hüften.
"Sag mal, bekommst du eigentlich noch was mit? Das ist mein Freund. Mein Lebensgefährte. Ich bin kein Schürzenjäger mehr wie früher, ich bin erwachsen geworden, ganz im Gegensatz zu dir. Ich mach ja eine Menge mit bei dir, überhaupt bin ich der einzige aus unserer Familie, der noch freiwillig Zeit mit dir verbringt, aber bei Ruben ist die Grenze. Wenn du ihn noch einmal anmachst oder auch nur irgendeinen bescheuerten Kommentar, dann war das mein letzter Besuch hier in San Francisco. Dann kannst du dir weiter mit Peyton und ihrer Clique die Zeit vertreiben."
"Meine Fresse, wann bist du eigentlich so langweilig geworden?", fragte Anthony genervt.
"Vielleicht, als ich mich auf eine ernsthafte Beziehung eingelassen habe mit einem Kerl, der mir um ein Vielfaches wichtiger ist als du, also zwing mich nicht dazu, mich zwischen dir und ihm zu entscheiden. Du bleibst jetzt hier in der Lobby, während ich die Badehosen hole. Bestell dir meinetwegen was zu trinken oder zu essen oder was du willst, aber bau keine Scheiße, sonst kannst du gleich wieder den Abflug machen. Vielleicht kann ich Ruben überzeugen, dass er doch noch mal mit an den Pool kommt."
"Meinetwegen muss er nicht kommen", brummte Anthony und schlurfte zu einer Sitzgruppe.
Sebastian sah ihm noch einen Moment kopfschüttelnd hinterher, dann ging er zum Fahrstuhl.
Im Zimmer traf er seinen Freund wieder an, der immer noch ziemlich angepisst aussah.
"Ruby, es... tut mir Leid, wie er sich benimmt", sagte Sebastian und schloss die Tür hinter sich. "Er ist ein Arsch, ich weiß, aber... ich hab ihm grad eine Ansage gemacht und vielleicht reißt er sich jetzt zusammen."
Er ging zu Ruby und legte seine Hände an dessen Oberarme, um leicht darüber zu streichen.
"Willst du nicht doch mit an den Pool kommen?", fragte er und lächelte vorsichtig.