Jeff saß auf seinem Bett und knubbelte an seinen Fingernägeln. Er hasste dieses Gefühl. Nicht wirklich etwas zu tun und stattdessen viel zu viel Zeit zu haben, an Nick zu denken, der viel zu weit weg war. Aber er konnte ihn nicht schon wieder anrufen. Er hatte heute schon zwei Mal angerufen. Und Nick ihn drei Mal. Dabei war es gerade mal kurz nach drei. Hoffentlich kam Ruben bald und sie unternahmen irgendwas zusammen. Kurt hatte ja seinen Blaine, mit dem er die ganze Zeit turteln konnte und mit Jon konnte man über so was wie Sehnsucht nicht reden. Allgemein war das über Gefühle Reden mit Jon nicht das Wahre. Da war Ruben die bessere Wahl. Ruben war cool. Und er vermisste Sebastian mindestens so sehr wie Jeff Nick. Geteiltes Leid ist halbes Leid, hatte sich Jeff gedacht, als er Ruben gefragt hatte, ob sie nicht zusammen ziehen wollten. Aber das geteilte Leid war zusammen mit Ruben auch kaum noch wirklich zu spüren, dafür waren sie zusammen zu gut drauf. Und noch besser, wenn Kurt und Blaine dabei waren und nicht umbedingt in enger Umarmung und knutschend. Was selten genug der Fall war.

Ruben steckte die Bücher, die er sich für ein Referat geholt hatte in seine Tasche, ohne auch nur einen Blick hinein zu werfen. Eigentlich hatte er vorgehabt direkt die ersten Kapitel durchzuackern, aber das musste warten. Seine Motivation war genau in dem Moment von Bord gesprungen, als seine Finger das erste Mal die abgegriffenen Einbände berührten. Verdammt, die fühlten sich sogar schon langweilig an!
Langeweile war etwas, dass er momentan überhaupt nicht gebrauchen konnte. Langeweile bedeutete, seine Gedanken nicht beisammen halten zu können. Und wenn das passierte, dann waren sie bevor er sichs versah bei seinem Freund, der durch das sonnige LA spazierte während er nach wie vor in Ohio festsaß. Das kannte er schon. Als nächstes würde er Sebastian anrufen wollen - und es gleichzeitig nicht wollen. Das sah so klammerig aus. Er war sich auch nicht sicher ob es alles besser oder schlimmer machen würde jetzt mit ihm zu reden, also sollte er wohl besser die Notbremse ziehen bevor er sich wieder in dieser Lage fand.
Und wenn Notbremse bedeutete nicht zu lernen, war das ziemlich einfach.
Ruben machte sich auf den Weg in das Zimmer, dass er sich in diesem Jahr mit Jeff teilte. Zum Glück hatte der es ihm angeboten, sonst würde ihm wohl echt die Decke auf den Kopf fallen.
"Ich hab noch mehr als genug Zeit bevor ich das Referat halten muss", redete er sich direkt heraus, als er durch die Tür kam. Als ob das nötig gewesen wäre. Sebastian hätte ihn wieder über seine Bücher gesteckt, Jeff kratzte so etwas nicht. Aber manche Gewohnheiten saßen einfach fest.
Er ließ seine Tasche neben seinem Bett auf den Boden fallen und setzte sich im Schneidersitz auf die Matratze.
"Dir ist nicht zufällig sterbenslangweilig, oder?", erkundigte er sich und betrachtete seinen Mitbewohner. "Dann hätte ich nämlich eine perfekte Ausrede nichts für die Schule zu machen. Ich kann ja schließlich nicht zulassen dass mein Mitbewohner hier eingeht."

"Sterbenslangweilig!", jaulte Jeff sofort und ließ sich rücklings vom Bett hängen, sodass die Spitzen seiner blonden Haare gerade so die Dielen berührten und ihm ein hoffentlich noch verzweifelteres Aussehen verliehen. "Du musst mich beschäftigen, ich habe immerhin Gefühle. Anders als dein Referat."
Er streckte sehnsüchtig seine Arme nach Ruben aus und gab dafür sein Gleichgewicht auf, sodass er von der Matratze glitt und kopfüber auf den Fußboden rutschte.
"Siehst du?", jammerte er, während er schlapp über den Dielenboden kullerte. "Die Langeweile hat mich zu einem knochenlosen Schlabbermonster gemacht..."
Oh mann, er drehte wirklich durch. Ach was, so was hatte er auch immer mit Nick gemacht. Aber Nick war nicht hier, also musste Ruben mit seiner komischen Verzweiflung klar kommen. Und das tat er normalerweise ganz gut.
"Huh, du hast Wollmäuse unter deinem Bett, die sind so groß wie Golfbälle", kicherte er.

Ruben lachte auf, als Jeff mit einem nahezu verweifelten Gesichtsausdruck von seinem Bett auf den Boden rutschte.
Es hatte ihn am Anfang immer überrascht, wie leicht es war gute Laune zu haben nachdem man ein paar Minuten mit dem Blonden alleine war. Das war ihm nie so richtig aufgefallen - klar, sie hatten auf Partys und auch sonst Spaß gehabt, aber so richtig hatte er es erst jetzt gemerkt. Was, wenn er ehrlich war, wahrscheinlich daran lag dass weder Sebastian noch Nick in der Nähe waren. Jeff ließ sich nämlich fast so gerne von seinem Freund in Beschlag nehmen wie er selbst.
"Lass meine Wollmäuse in Ruhe, wir freunden uns gerade an", beschwerte er sich grinsend und ließ sich ebenfalls vom Bett gleiten. "Wir hatten lange nichts mehr miteinander zu tun. Es war immer so ordentlich, da haben die sich nicht wohl gefühlt."
Er rollte sich neben Jeff und warf einen prüfenden Blick unters Bett - das ging noch, da hatte er schon schlimmeres gesehen.
"Du wolltest mir doch gerade nicht sagen, dass das Mittel gegen Langeweile staubsaugen ist, oder? Dann lasse ich dich nämlich hier liegen, und du wirst ein Schlabbermonster bleiben. Oder ich saug dich mit weg, wenn du im Weg liegst." Er schüttelte bestimmt den Kopf. "Da muss uns was besseres einfallen. Nick rammt mich unangespitzt in den Boden wenn ich das mach. Und ich hätte keinen Mitbewohner mehr. Und der Staubsaugerbeutel ist bestimmt auch nicht so luxuriös."

"Willst du etwa sagen, ich bin zu fett für das Staubsaugerrohr?", fragte Jeff empört. "Bah, das erinnert mich an Nicks Theorie zur analen Staubsaugerfreundschaft. Er meint, eine der Todesursachen Nummer Eins bei Schwulen ist das von Innen nach Außen stülpen derselben aufgrund des Unterdrucks, der entsteht, wenn man... naja... weißt schon. Nono mal am Sternchen schnuppern lässt."
Der Blonde verzog angeekelt das Gesicht und kullerte sich zu Ruben.
"Stell dir mal vor, einen ganzen Tag lang nicht aufzustehen. Vom Bett auf den Boden, die Treppe herunter und über den Kiesweg zum Speisesaal. Alles im Liegen. Ich würde es den Nacktschneckentag nennen."
Er rollte sich auf die Seite und sah Ruben nachdenklich an.
"Nick kommt am Freitag her", erzählte er dann. "Stört es dich, wenn er hier schläft? Nicht, weil du verklemmt wärst oder so. Aber... weißt schon. Wegen Sebastian. Du vermisst ihn ja jetzt schon."
Der Blonde lächelte entschuldigend und stützte sich auf seine Unterarme.

"Im Moment bist du aber eine Uniformschnecke", gluckste Ruben. "Sei froh, als Nacktschnecke ist der Kiesweg bestimmt nicht angenehm."
Er schob einen Arm unter seinen Kopf und sah zu dem Blonden auf. "Quatsch, das stört mich nicht. Ich werd höchstens ein bisschen neidisch."
Auch ein bisschen mehr. Wann er Sebastian das nächste Mal in seinem Bett haben würde wusste der Himmel. Und dabei ging es nicht einmal um den Sex den sie definitiv haben würden, sondern viel mehr darum, den anderen im Arm zu haben... Nein, da machte er sich etwas vor. Es ging definitiv um den Sex. Er war ja jetzt schon frustriert, in ein paar Wochen oder Monaten würde er bestimmt verzweifelt sein.
"Wenn du ihn ein paar Minuten lang teilen kannst damit ich auch Hi sagen kann geht das völlig klar", fügte Ruben hinzu.
Dass er Jeff den Abend nicht vermiesen würde, war keine Frage. Schließlich wusste er, wie der seinen Nick vermisste. So herzlos konnte man gar nicht sein.
"Ich sollte wohl besser fragen ob es dich stört wenn ich hier bin", merkte er plötzlich. "Ich mein, soll ich lieber woanders sein?"

"Cool", lächelte Jeff. "Ich denke, für ein 'Hi' kann ich ein Sekündchen entbehren, für ein 'Hallo' wird es aber nicht reichen."
Er rutschte näher zu Ruben heran und zog eine Baby-Wollmaus aus seinen Haaren, um sie unters Bett zu pusten.
"Ne, unseretwegen musst du nicht woanders sein. Ist nur... naja, ich weiß nicht, ob du Bock hast, hier zu schlafen, wenn wir... und ich will nicht lügen, wir werden... sehr viel und... sehr intensiv."
Alleine bei dem Gedanken konnte Jeff das Grinsen nicht von seinem Gesicht fern halten. Das war echt fies. Nick kam alle paar Wochen hierher, Sebastian hingegen blieb zwangsläufig mehrere Monate am Stück weg. Aber die Entfernung von Michigan hierher war auch um ein Vielfaches kleiner als die von LA nach Westerville.
"Aber wir sind da nicht so verklemmt. Nick schon gar nicht. Kannst auch gerne mit unter die Decke schlüpfen", fügte Jeff kichernd hinzu. "Ein Bisschen Druck loswerden. Die ganze Handarbeit muss doch tierisch nerven."
Gott, was redete er denn hier? Er konnte Ruben doch nicht einfach mit ins Bett einladen, auch wenn es ein Witz war. Nicht, dass es so skandalös für ihn oder Nick wäre, wenn auch eine durchaus neue Erfahrung. Aber Ruben war schließlich vergeben und zwar an einen ziemlich dominanten Typen, der ganz bestimmt nicht besonders viel davon hielt, seinen Freund an jemand anderen zu verleihen.
Verdammt, worüber dachte er hier eigentlich nach? Das war doch nur ein Witz.
Aber Jeff konnte nicht leugnen, dass Ruben ihm Leid tat. Welcher Typ, der monatelang auf Sex verzichten musste, tat einem nicht Leid? Er mochte Ruben. Und würde ihm aus dem Dilemma auch gerne helfen. Aber das war eigentlich ein Tabu.
"War nur ein Witz", meinte er grinsend und rappelte sich auf. "Wollen wir in die Stadt fahren? Ein Eis essen?"

"Ich werds überstehen. Irgendwann wirst du auch mal derjenige sein, der mit Ipod ins Bett gehen muss um halbwegs eine Chance auf Schlaf zu haben. Hoffe ich. Ohne jämmerlich klingen zu wollen, das hoffe ich so sehr", gluckste Ruben und gönnte sich einen Moment, um Jeffs zufriedenes Gesicht zu betrachten. Konnte man ihm einen Vorwurf machen? Wenn man schonmal einen scharfen Kerl neben sich liegen hatte durfte man das. Vor allem wenn der erste Wahl scharfe Kerl dermaßen und unbestreitbar außer Reichweite war.
Jeffs nächsten Worten passten leider viel zu sehr in die Richtung, in die seine Gedanken gerade abzudriften drohten. Ruben merkte, wie seine Wangen ganz warm wurden.
Eigentlich sollte er jetzt lachen und irgendeinen blöden Spruch machen, aber das war plötzlich gar nicht so einfach.
Zum Glück setzte Jeff sich kurz darauf auf und die leichte Spannung, die Ruben zu spüren geglaubt hatte verflüchtigte sich.
"Eis essen. Perfekt", stimmte er etwas abgelenkt zu und fuhr sich durch die Haare.
Alles was im entferntesten mit Abkühlung zu tun hatte war gerade perfekt für ihn, wie es den Anschein machte. Er hatte doch gewusst, dass Jeff nur einen Witz gemacht hatte, und trotzdem hätte nicht viel gefehlt und er hätte angefangen zu sabbern.
Heut Abend musste Sebastian dran glauben, es wurde höchste Zeit mal wieder ausgibig zu skypen. So ging das nicht weiter.
Nachdem er diesen Entschluss gefasst hatte sah er Jeff zufrieden an.
"Ich habe gehört, ich werde eingeladen weil ich mir ein ganzes Wochenende lang das Quietschen deiner Bettfedern anhören muss." Er hakte sich bei seinem Mitbewohner ein und grinste. "Wenn ich da falsch gehört hab müssen wir einen kurzen Abstecher zur Bank machen."

Sebastian schmiss seine Tasche auf den Boden und warf sich auf sein Sofa.
Er war frustriert, richtig frustriert.
Inzwischen nervte ihn alles nur noch, sein Studium, seine Kommilitonen, seine Professoren, und er selbst am allermeisten.
Warum hatte er diese blöde Fernbeziehung eigentlich angefangen?
Nicht, dass er mit Ruby Schluss machen wollte, das war ihm tatsächlich nicht ein einziges Mal in den Sinn gekommen.
Aber es hätte doch auch irgendeine andere Lösung gegeben.
Ein Jahr lang in der Nähe von Westerville arbeiten oder einfach faulenzen- ach, wem machte er etwas vor?
Das hätte er eh nicht gemacht.
Jetzt hatte er den Salat, sah an jeder Ecke irgendeinen heißen Typen und wünschte sich seinen Freund hierher, um es endlich mal wieder richtig krachen zu lassen.
Leider hatten sie nur die LowBudget-Version eines Dates zur Verfügung, und die hieß Skype.
Sebastian holte seinen Laptop aus der Tasche, stellte ihn auf den Couchtisch und klappte ihn auf.
Ruby war sogar online.
Eigentlich wollte Sebastian ihn nicht anrufen, er ließ sich lieber anrufen.
Dann konnte er etwas gönnerhaft meinen, er hätte eigentlich ein Referat vorzubereiten, würde das aber für Ruby verschieben.
Scheiß Fernbeziehung, er wollte vögeln!
Sebastian drückte auf 'Anrufen' und stützte missmutig sein Kinn in seine Handfläche.

Ruben saß an seinem Schreibtisch und blätterte halbherzig durch seine Bücher, während er gefühlt alle 20 Sekunden einen prüfenden Blick auf seinen Laptop warf, ob Sebastian on gekommen war.
Natürlich nicht, stellte er missmutig fest und tippte mit den Fingerspitzen ungeduldig auf seiner Schreibtischplatte herum. Dabei wäre die Gelegenheit gerade so günstig.
Jeff war mit Kurt unterwegs, Haare schneiden oder Nägel pfeilen oder Gesichtsmasken auftragen oder was auch immer den beiden so einfiel, um ihr gutes Aussehen zu bewahren. Nicht dass er sich darüber lustig machen wollte, wenigstens nicht zu sehr. Ab und zu fand er sich ja selbst auf Kurts Rückbank in Richtung des Salons von Jeffs Tante wieder, und das war jedes Mal ziemlich angenehm. Aber ab und zu reichte ihm eben voll und ganz, deshalb zog Jeff meistens alleine mit seinem besten Freund los. Und wenn sie erstmal unterwegs waren, dann dauerte das.
Viel, viel freie Zeit also. Und kein Sebastian weit und breit.
Gerade als er an dieser Stelle angekommen war, riss ihn der Skype Anrufston aus seinen Gedanken. Überrascht blickte er auf seinen Monitor. Tatsächlich, das war Sebastian. Ruben akzeptierte den Anruf und winkte in die Kamera.
"Warte kurz, ich machs mir gemütlich!"
Er zog das Stromkabel aus seinem Laptop, schnappte sich eben diesen und machte sich damit auf dem Bett breit.
"Hi", lächelte er dann nochmal und berührte mit seinem Finger kurz das angesäuerte Gesicht seines Freundes auf dem Bildschirm. "Ich hab so gehofft, dass du on kommst. Ich geh hier ein!"

"Hi", meinte Sebastian und winkte mit dem kleinen Finger. "Bin grad erst rein, dieses blöde Tutorium ist mehr ein Nachhilfeunterricht als ein- ach, weißt du was? Ich hab keinen Bock, über mein Studium zu reden. Dann musst du auch nicht so tun, als würde es dich interessieren."
Der Student lehnte sich auf seiner Couch zurück und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare.
"Wir müssen über was reden", sagte er dann, bevor er noch einen Rückzieher machte.
Das war jetzt wahrscheinlich total blöd und würde Ruby die Laune vermiesen, schließlich freute er sich ja gerade offensichtlich total, ihn zu sehen.
Aber Sebastian hatte schon so lange damit gewartet.
"Ich halt das echt nicht mehr aus", gestand er. "Ich hätte nie gedacht, dass ich es mal zwei Monate am. Stück ohne Sex aushalten würde. Aber das hab ich jetzt getan. Und ich glaub nicht, dass ich noch einen einzigen Tag mit Handbetrieb aushalte. Es ist nicht so, dass ich kurz davor bin, irgend einen beliebigen Typen zu nageln, ich weiß schon, was das Wort Fernbeziehung heißt. Aber heute bin ich in der Straßenbahn frontal gegen so eine Metallstange gedrückt worden und war echt kurz davor, laut aufzustöhnen."
Der Student seufzte schwer.
"Du bist auch nur ein Kerl und weißt, wovon ich rede, darum hoff ich, du bist jetzt nicht total stinkig. Aber nicht drüber zu reden hat es bis jetzt auch nicht besser gemacht. Keine Ahnung. Ich dachte, wir sollten mal drüber reden."

Ruben zupfte nervös an seinem Kopfkissen herum, als Sebastian zu sprechen begann.
Da waren sie wieder, diese verdammten Worte, die nie etwas Gutes zu bedeuten hatte. Zumindest nicht seiner Erfahrung nach.
Er knabberte an seiner Unterlippe und versuchte seine aufsteigende Unruhe so weit zu unterdrücken, dass er Sebastian zuhören konnte. Der würde ja wohl jetzt nicht über Skype mit ihm Schluss machen, dafür hatte er zu viel Klasse. Man konnte sich zwar nie wirklich sicher sein, aber zumindest... naja, zu 85 Prozent war er es. Vielleicht auch 90.
"Ich versteh das sogar ziemlich gut", murmelte Ruben, halb hoffend dass Sebastian ihn nicht verstehen würde. Er gab es ziemlich ungern laut zu, das fühlte sich ziemlich seltsam an. Immerhin liebte er Sebastian und hatte selber gesagt, dass die Beziehung nur so lange gehen würde, wie sie sich treu wären.
Und trotzdem. Dass ihn Jeffs Angebot vorhin so aus der Bahn geworfen hatte, sagte doch alles, oder? Sogar jetzt wurde er ein bisschen kribbelig wenn er daran dachte.
"Zwei Monate fühlen sich verdammt lang an", gab er zu. "Naja, zwei Monate sind auch lang, aber sie fühlen sich noch viel viel länger an. Vorhin..." Er brach kurz ab und überlegte, wie er es am geschicktesten verpacken konnte ohne Sebastian das Gefühl zu geben, dass er Angst haben musste dass Ruben seinen Mitbewohner bei der nächstbesten Gelegenheit besprang. "Nick kommt am Wochenende, hat Jeff mir vorhin erzählt. Wenn ich mich nicht irgendwo einquartieren will, werde ich also in einem Real Life Porno leben - nicht dass ich das den beiden verübeln kann. Wenn ich dich hier hätte... Aber ich hätte fast im Bad verschwinden und mir einen wedeln müssen. Ich bin mich wie ein läufiger Köter, ich kann dir echt nicht sagen wann ich mich das letzte Mal nicht untervögelt gefühlt hab."

"Wir sind halt Männer", zuckte Sebastian mit den Schultern, den Rubens Geständnis weniger überraschte, als er es erwartet hätte. "Frauen können monatelang ohne Sex, ach was, jahrelang. Aber bitte, in der Zeit, in der wir zusammen an der Dalton waren, sind wir, was die Regelmäßigkeit angeht, einfach verwöhnt gewesen. Das rächt sich jetzt."
Der Gedanke, wie Ruby unter seiner Bettdecke lag und sich heimlich auf die Geräuschkulisse von Jeff und Nick einen runter holte, war eigentlich ziemlich witzig. Aber es bedeutete auch was.
"Okay, ich sag jetzt was, einfach mal so, um es hinzustellen, und du sagst mir ganz ehrlich, was du davon hältst, ja? Ich bin dir die gesamte Zeit, die wir zusammen waren, treu gewesen, mal abgesehen von dieser bescheuerten Knutscherei mit A...Alisa? Alessa? Egal. Und ich habe nicht vor, dich zu hintergehen. Aber... was wäre, wenn wir... naja, sagen wir, einen Deal schließen? Dass jeder von uns ein Mal fremd vögeln frei hat, um Druck los zu werden. Machen wir uns nichts vor, Monogamie liegt nicht in der Natur eines Mannes, und weiß Gott, sie lag nie in meiner Natur, aber weil ich dich liebe, halt ich das natürlich durch. Und wärst du erreichbar, würde ich dich bespringen wie ein ausgebüchster Hamster jede Hamsterdame, die ihm in die Lappen kommt. Du bist meine Nummer eins, das weißt du ganz genau. Meine einzige Nummer. Und es wäre... Gott, wie beschreibt man das, ohne dass es wie eine blöde Ausrede klingt? Weißt du, was ich sagen will?"
Sebastian trommelte nervös mit den Fingerspitzen auf den Tisch neben seinem Laptop.
Hatte er jetzt zu viel gewollt? Ruby war cool und aufgeschlossen, aber Sebastian wusste auch, dass er einen Betrug niemals verzeihen würde. Und das... fiel das für ihn schon unter Betrug? Dass Sebastian über so einen Deal nachdachte? Ihm gefiel der Gedanke ja selbst überhaupt nicht, dass Ruby mit irgendeinem anderen Typen schlafen könnte. Sebastian war immer stolz darauf gewesen, dass der Hintern seines Freundes von Anfang an ihm alleine gehört hatte.

Ruben pustete seine Wangen zu kugelrunden Hamsterbacken auf, bevor er die Luft langsam wieder ausstieß.
Das war natürlich... ein ziemlicher Hammer. Mit so einem Vorschlag hatte er niemals gerechnet, zumindest nicht so ernst und nüchtern wie Sebastian das Thema gerade auf den Tisch brachte. Und noch weniger hätte er damit gerechnet, dass er wirklich darüber nachdachte.
Er strich sich die Haare aus der Stirn, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und hob seinen Laptop auf seinen Schoß.
"Ich... weiß nicht was ich da denken soll", gab er zu. "Aber... es macht schon Sinn. Und ich kann nicht behaupten, dass ich das nicht irgendwie in Betracht ziehe."
Unschlüssig rieb er sich über das Kinn.
Man musste ja auch mal fair sein. Sebastian hatte für ihn seine Ansichten über Beziehungen so ungefähr um 180° gedreht, konnte er da nicht auch mal ein bisschen von seinen Überzeugungen abweichen?
Vor allem, weil es für ihn selbst ja auch kein Nachteil war. Er hatte es ja selbst genauso nötig wie Sebastian, was hatte er also zu verlieren?
Die Exklusivität ihrer Beziehung... schon. Aber... schlimmer wäre es nein zu sagen, den Druck so groß werden zu lassen, dass wirklich einer den Anderen betrog und damit alles kaputt zu machen, oder? Man konnte es wirklich nur eine gewisse Zeit ohne Sex aushalten, daran hatte er mittlerweile keinen Zweifel mehr.
"Wir haben schon immer anders funktioniert als die anderen hier", sagte er schließlich vage. "Vielleicht... vielleicht macht das wirklich Sinn. Für uns."

Sebastian war erleichterter, als er es sich selbst eingestehen wollte, als Ruby durchaus ruhig und überlegt auf seinen Vorschlag reagierte.
Begeistert war er nicht. Nicht im Geringsten. Aber entsetzt war er auch nicht, stattdessen dachte er ernsthaft darüber nach.
Und dann stimmte er ihm sogar zu.
"Wow...", meinte Sebastian und kratzte sich leicht grinsend am Hinterkopf. "Okay... dass du so schnell zustimmst, hätte ich auch nicht gedacht. Scheint so, als hättest du genau so viel Druck wie ich."
Er richtete sich etwas auf und versuchte, nicht zu aufgeregt auszusehen. Er würde vögeln können. Nicht mit Ruby, das war irgendwie blöd, und ohne war dieser Deal ganz bestimmt nicht. Aber er würde vögeln können.
"Also... willst du wissen, mit wem? Oder wollen wir darüber Stillschweigen bewahren? Ich wüsste jetzt ehrlich gesagt auch noch gar niemanden, ich würde mir halt irgendwen in einer Bar aufreißen, denk ich."