...

Ruben - Blaine - Kurt

Es war doch bezeichnend für sein Glück, dass das einzige Zimmer in das er einziehen konnte das Alte von Sebastian war.
Vielleicht sollte er umräumen... wenigstens etwas die Möbel verrücken, damit die Erinnerungen nicht mehr in jeder Ecke hingen.
Ruben seufzte und schüttelte den Kopf.
Ach, als ob das etwas bringen würde. Wem wollte er das denn erzählen?
Er sollte sich lieber freuen. Mindestens 3/4 seiner Zeit an der Dalton hatte er sich ein Einzelzimmer gewünscht, jetzt hatte er eins.
Nur, dass er das jetzt eigentlich gar nicht mehr haben wollte.
Er rieb sich übers Gesicht um die Gedanken zu vertreiben und öffnete die Tür, um seine restlichen Sachen hereinzuholen.
Als er angesprochen wurde schnappte sein Kopf nach oben.
"Oh... hey", meinte er leise, als er Kurt und Blaine vor sich sah.
Das konnte er ja jetzt gebrauchen. Irgendwer würde doch garantiert...
Und richtig, da stellte Kurt auch schon die Frage die er gar nicht hören wollte.
Er schüttelte nur leicht den Kopf und ging in sein Zimmer zurück.
Wenn es die beiden interessierte konnten sie hinterherkommen, aber das würde er auf dem Flur nicht klären.

"Haben wir denn nen Neuen?", fragte Blaine überrascht, als sie die Taschen vor Sebastians altem Zimmer entdeckten.
So mitten im Jahr... das musste ja bald schon ein Notfalltransfer sein.
Doch als sich die Tür öffnete, sahen sie sich keinem Unbekannten gegenüber, sondern Ruben.
Einen Moment lang war Blaine völlig verwirrt, denn Ruben wohnte doch bei Sebastian.
Was wollte er denn mit zwei Zimmern?
Oder... oh.
Als der Junge einfach wieder in dem Zimmer verschwand legte Blaine Kurt eine Hand auf den Rücken und schob ihn hinterher.
Tatsächlich, Ruben schien alle seine Sachen herübergeholt zu haben.
Überall standen und lagen Taschen und einzelne Klamotten herum.
"Wohnst du nicht mehr bei Sebastian?", fragte er überrascht, woraufhin Ruben nur zur Seite sah.
Was war da denn nur schief gelaufen?

Rubens Gesicht sprach Bände.
Kurt brauchte gar nicht nachfragen um zu wissen, was offenbar passiert war.
Trotzdem wären ein paar Einzelheiten vielleicht hilfreich, denn Ruben sah aus, als könne er jemanden zum trösten gebrauchen, oder wenigstens zum aufpassen.
Kurt nahm eine der Taschen vom Flur, um eine Ausrede zu haben, mit ins Zimmer zu gehen.
"Habt ihr gestritten?", fragte er behutsam.
Gut, Freunde waren er und Ruben nicht gerade, dazu verbrachten sie zu wenig Zeit miteinander, was schlicht und einfach an Rubens Freund lag, in dessen Nähe sich der Brünette die meiste Zeit aufhielt.
Aber wenn sie sich mal unterhielten, verstanden sie sich ziemlich gut.
Wahrscheinlich auch, weil sie sich gegenseitig ein Bisschen als Barrikaden für Sebastians Anbandeln mit Blaine sahen.

"Nein, haben wir nicht", antwortete Ruben und ließ sich auf das Bett sinken.
Das Bett, in dem er und Sebastian so oft herumgemacht hatten... oh, die Idee hierher zu ziehen war total bescheuert gewesen.
Aber er hatte auch nicht bei Sebastian bleiben können.
"Sebastian streitet nicht mehr. Er macht nichts mehr, seit er seine Posten verloren hat", erklärte er und sah Kurt und Blaine traurig an.
Vielleicht sollte er das nicht erzählen, immerhin hatte Sebastian sich eine Woche lang relativ erfolgreich vor allen Lebewesen versteckt, so dass wohl niemand etwas mitbekommen hatte.
Aber es war so ungewohnt, Leute bei sich zu haben die reagierten wenn er redete, dass sich sein Mund ziemlich selbstständig machte.
"Er ist... er ist eigentlich gar nicht mehr Sebastian. Ihn interessiert nichts mehr. Und da falle ich wohl auch rein."

Blaine runzelte die Stirn als Ruben sprach.
Das klang aber wirklich nicht nach Sebastian.
Klar, dass er es nicht einfach so wegsteckte war ja abzusehen gewesen, aber wenn Ruben schon meinte, dass er nicht mehr Sebastian war, musste es ihn ja ganz schön verändert haben.
"Und, meinst du immer noch, dass das nur Show ist?", fragte er seinen Freund leise.
"Was hältst du davon, wenn wir doch etwas später essen? Dann gehe ich nämlich mal schnell nachsehen, ob bei ihm alles okay ist, und du kannst ein bisschen bei Ruben bleiben."
Er sah seinen Freund bittend an.
Eifersucht hin oder her, hier war etwas ganz und gar nicht in Ordnung.

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Kurt biss sich auf die Unterlippe.
Blaine widersprechen konnte er jetzt wohl schlecht, denn das, was Ruben da sagte, klang wirklich anders als er es sich vorgestellt~ nein, eigentlich gewünscht hatte.
"Ja...", meinte er zögernd und nickte. "Ja, mach das."
Wenn Sebastian nicht mehr Sebastian war, dann musste er sich auch keine Sorgen machen, dass er wieder irgendwas versuchte.
Für den kurzen Moment, den er wusste, dass das zwischen Ruben und Sebastian aus war, hatte er sofort Sorge gehabt, dass es jetzt wieder richtig losgehen würde, aber jetzt...
Kurt ging zu Ruben und setzte sich neben ihm aufs Bett.
"Willst du mir vielleicht erzählen, was passiert ist?", fragte er. "Nur, wenn du magst! Also... mir wird oft gesagt, dass ich ein guter Zuhörer bin. Und du siehst mir wie jemand aus, der gerade so einen gebrauchen könnte."

Ruben zuckte nur mit den Schultern, lachte aber sofort bitter auf.
Fing er jetzt auch schon an Leute mit einem Schulterzucken abzuwimmeln?
Er hörte das Geräusch einer sich schließenden Tür und sah auf um festzustellen, dass er nun mit Kurt alleine war.
Wohin Blaine verschwunden war wusste er nicht, aber eigentlich fand er das ganz gut.
Es war irgendwie doch einfacher, nur mit einer Person zu reden, und Kurt hatte sich schon einmal um ihn gekümmert als es ihm schlecht ging.
"Es ist nichts passiert... das ist es ja", erklärte er leise, wusste aber nicht ob das für Kurt irgendeinen Sinn machte.
"Egal was ich gemacht habe, es ist nichts passiert. Sebastian... ist irgendwie doch gar nicht mehr da. Der Sebastian in den ich mich verliebt habe jedenfalls nicht. Er hat sich... total zurück gezogen irgendwie. Und es wurde jeden Tag schlimmer. Es geht ihm total mies, das ist ganz klar, aber ich konnte ihm nicht helfen. Und jetzt habe ich ihn allein gelassen, aber... ich konnte einfach nicht mehr. Und dann hab ich ihn gefragt ob er mich überhaupt noch bei sich haben will und... er hat mit den Schultern gezuckt. Er hat mich nicht mal angesehen, Kurt. Ich... ich konnte da nicht mehr bleiben."

Kurt sah seinem Freund nach, wie er aus dem Zimmer ging, dann wandte er sich Ruben zu, der schon zu reden begonnen hatte.
Das klang allerdings wirklich besorgniserregend.
Vielleicht hätte Blaine das noch hören sollen, der würde jetzt wohl einen ganz schönen Schrecken bekommen, wenn er zu Sebastian ging.
Der musste ja völlig am Boden sein, wenn das sogar Ruben so schlimm zugesetzt hatte.
Kurt legte vorsichtig einen Arm um Ruben, nicht sicher, ob das jetzt angebracht war, aber er hatte das dringende Bedürfnis, den Jungen wenigstens ein Bisschen zu trösten, so niedergeschlagen, wie der war.
"Das klingt wirklich übel", murmelte er. "Wir wussten gar nicht, dass es so schlimm ist. Wir haben alle gedacht, dass... naja, dass Sebastian ein Bisschen beleidigt ist oder so."
Jetzt hatte Kurt erst mal ein richtig schlechtes Gewissen wegen dem, was er vorhin noch über Sebastian gesagt hatte.
"Du hättest auch zu uns kommen können, Ruben", meinte er dann behutsam. "Wir sind doch alle deine Freunde, wir hätten dir geholfen. Dass dir das zu viel geworden ist, das kann ich wirklich verstehen."

"Da hab ich gar nicht dran gedacht", gab Ruben leise zu.
Vielleicht hätte er das machen sollen, vielleicht wäre es dann nicht so schlimm geworden, aber er wusste auch nicht was die Anderen hätten tun können.
"Ich weiß auch nicht. Sebastian ist... war doch immer so stolz, weißt du? Ich glaube nicht das er wollte, dass ihr ihn so seht wie er gerade ist. Auch wenn ihm das jetzt wahrscheinlich total egal ist."
Er legte seinen Kopf auf Kurts Schulter und seufzte.
"Ich kann noch gar nicht glauben, dass es jetzt vorbei ist", sagte er mit zittriger Stimme. "Ich meine, ich weiß es, aber... ich habs noch nicht richtig realisiert. Und ich will das auch nicht. Aber... das ändert nichts."
Ruben setzte sich wieder aufrecht hin und rieb sich übers Gesicht.
Er würde nicht heulen. Er würde jetzt verdammt nochmal nicht heulen, das half ihm nämlich ganz und gar nicht.
"Das ist alles Tylers Schuld", murmelte er dumpf hinter seinen Händen, die er lieber an Ort und Stelle ließ, als er merkte, dass seine Augen seine Ansicht zum nicht heulen wohl nicht zu teilen schienen.
"Wenn der nicht gepetzt hätte wegen der Party, dann wär das alles nicht passiert."

"Ich versteh dich", sagte Kurt leise und rieb tröstend mit seiner Hand über Rubens Rücken. "Und ich würde dir jetzt auch zu gerne sagen, dass alles halb so schlimm ist. Aber du hast wohl Recht. Trotzdem würde ich es jetzt nicht komplett aufgeben. Wer weiß... wenn er sich irgendwann wieder fängt, wenn es... besser wird, vielleicht kommt das mit euch dann auch wieder in Ordnung. Ich meine, Gefühle verschwinden ja nicht einfach. Das können sie gar nicht."
Okay, das war jetzt vielleicht nicht der beste Zeitpunkt, um direkt auszuwerten, was passiert war und wie es weiter gehen könnte.
Dafür war das alles noch zu frisch.
Aber Kurt wollte Ruben irgendwie ein Bisschen den Schrecken nehmen.
"Jedenfalls kannst du jederzeit zu uns kommen. Wenn du reden willst, zu Blaine und mir, wenn du Ablenkung willst, zu Nick und Jeff."
Rubys Aussage zu Tyler ließ Kurt dann doch etwas taumeln und er musste erst einmal einen Moment nachdenken.
"Eigentlich hast du Recht", gab er dann murmelnd zu. "Tyler wusste wahrscheinlich selbst nicht, was er damit anrichtet, aber das... das hat wirklich er verbockt. Er und Sebastian konnten sich ja noch nie leiden, aber das war dann einen Zacken zu viel."

Ruben schnaubte und nahm jetzt doch seine Hände vom Gesicht.
"Das glaubst du doch nicht wirklich, oder?", fragte er, während er sich eilig noch einmal über die Augen wischte, bevor er Kurt ansah.
"Ich meine, ich war ja wirklich tierisch betrunken, aber ich hab Tys Auftritt da noch ziemlich genau im Kopf. Vor allem, weil ich mich da schon darüber aufgeregt habe, nur aus den ganz falschen Gründen. Ich hatte da was nicht richtig verstanden, aber... Er stand da und meinte irgendwas von wegen 'Was würde da nur die Schulleitung sagen... Vorbildlich für 'nen Kapitän zweier Clubs'", zitierte Ruben, wobei er den hohntriefenden Tonfall imitierte, den Tyler an dem Abend drauf gehabt hatte.
Oder... fast in jedem Gespräch, dass sie mit ihm geführt hatten, nachdem Sebastian und er zum Ersten mal aneinander geraten waren.
"Und weshalb hätte er petzen sollen, wenn er Sebastian nicht einen hätte reinwürgen wollen? Ein Klosterschüler ist er ja auch nicht gerade."
Ruben schüttelte den Kopf.
Für ihn war es beschlossene Sache, dass Tyler in voller Absicht gehandelt hatte.
Aber das änderte auch nichts.
"Und ich will nicht darüber nachdenken, ob irgendwann alles wieder in Ordnung kommen könnte", fügte er noch hinzu und ließ seinen Kopf wieder hinuntersinken. "Dann... dann warte ich nur darauf, und wenn es dann doch nichts wird... Ich würde lieber damit abschließen können, aber das geht ja auch nicht. Ich weiß grad selber nicht was ich will, fürchte ich. Aber danke, dass du dir den Mist anhörst."

Kurt verzog etwas das Gesicht, als er Rubens verbitterten und wütenden Ton hörte.
War wohl wirklich eine dumme Idee gewesen, die ganze Situation zu kommentieren.
Nur zuhören, das war doch, was er machen wollte.
"Okay, tut mir Leid", sagte er versöhnlich.
Eigentlich hatte Ruben wirklich Recht.
Was Ty da gemacht hatte, war das Letzte.
Kurt selbst hatte doch das Wort "Kameradenschwein" dazu benutzt.
"Hey, wie gesagt, du kannst dich immer bei mir auskotzen, wenn du willst. Und ansonsten braucht das alles jetzt einfach Zeit, so scheiße das klingt."
Er sah sich in dem Zimmer um, das noch das reinste Chaos war.
"Wie sieht's aus, soll ich dir beim Auspacken helfen? Oder Umräumen?"
Wenn Kurt eins und eins zusammen zählte, hingen an diesem Zimmer so einige Erinnerungen für Ruben, die jetzt bestimmt weh taten.
Aber zumindest Bett, Regal und Schreibtisch konnte man umstellen.

"Umräumen", entschied Ruben und fuhr sich durch die Haare, bevor er aufstand und sich umsah.
"Das habe ich vorhin schon gedacht. Ich muss umräumen. Unbedingt."
Er sah sich noch einmal um.
Nein, so wie es war konnte er das Zimmer nicht lassen.
So war es immer noch Sebastians Zimmer.
Wenn er auf dem Bett lag, hatte er den gleichen Blick auf den Schreibtisch, den er immer gehabt hatte wenn er gechillt hatte während Sebastian daran gesessen und Trainingspläne geschrieben hatte.
Und er wollte auch nicht aus dem Bad kommen und aufs Bett sehen und sich daran erinnern müssen, wie Sebastian immer ausgesehen hatte wenn er nachts schnell pinkeln musste bevor er zu seinem Freund zurück unter die Decke gekrabbelt war, der meistens noch nackt war von dem kleinen Abenteuer, dass sie vor dem Schlafengehen gehabt hatten.
Und...
Halt. Schluss jetzt, so würde das nie einfacher werden.
"Ich kann es mir hier gar nicht anders vorstellen", murmelte er während er in seinem Kopf versuchte, die Möbel neu anzuordnen. "Aber... irgendwie anders muss es sein. Ist das albern?"
Dadurch würde sich schließlich nichts ändern, was in diesem Zimmer passiert war.
Aber vielleicht konnte er so tun als ob.

"Ja, das versteh ich", sagte Kurt und sah sich ebenfalls in dem Zimmer um. "Aber ich helf dir jetzt dabei. Ich war vorher nie in diesem Zimmer, darum kann ich mir eher vorstellen, wie man es umstellen kann. Außerdem hab ich vor, später Design zu studieren, da kann ich an dem Zimmer schon mal ein Bisschen üben, also, das Gestalten. Das Umräumen. Keine Sorge, du bekommst keine Rosa Vorhänge."
Er zwinkerte Ruben zu und machte sich dann im Kopf einen Plan.
"Also, was hältst du davon, wenn wir den Schreibtisch neben die Tür schieben? Unter dem Fenster hat man zwar das beste Licht, aber an die Wände über dem Schreibtisch könnte man dann Notizen kleben, das macht Blaine auch immer. Und das Bett schieben wir unters Fenster, dann wirst du das ganze Jahr über morgens von der Sonne geweckt. Oder vom Regen, wenn du das Fenster offen lässt."
Kurt sah Ruben erwartungsvoll lächelnd an.
Hoffentlich lenkte er ihn damit ein Bisschen ab.
Oder munterte ihn wenigstens etwas auf.