Jeff kam in sein und Nicks Zimmer geschlurft und schleifte seine lederne Schultasche über den Boden hinter sich her.
Die Mühe, die Tür zu schließen, machte er sich gar nicht erst, das konnte Nick ja machen.
Vielleicht, wenn er Lust hatte.
Der hatte doch immer so gute Laune.
Der einzige Unterschied zwischen Nick und einem Flummi war Nicks Fähigkeit, zu sprechen, was nicht gerade rund um die Uhr ein Vorteil zu dem Gummiball war.
Als er sah, dass sein Mitbewohner auf dessen Bett lag, formte er mit dem Mund und seiner Stimme etwas, das man mit viel Fantasie als ein "Hey" entziffern konnte.
Seine Tasche blieb neben seinem Schreibtisch liegen und er selbst auf seinem Bett.
Jeff machte einen tiefen Atemzug, was etwas schwierig war gemessen an dem Kissen, in das er sein Gesicht drückte, dann stieß er ein lang gezogenes, gedämpftes Jammern aus.

Nick hatte es sich auf seinem Bett gemütlich gemacht und versuchte, seinen Rekord bei Temple Run zu knacken.
Im Liegen war das gar nicht so einfach, ständig lief das Männchen irgendwo gegen.
Aber die Alternative - mit den Hausaufgaben anzufangen - erschien ihm noch weniger verlockend.
Es wurde höchste Zeit, dass Jeff hier aufschlug.
Alleine war es grottenlangweilig.
Wie auf Kommando öffnete sich die Tür.
Nick strahlte begeistert auf und beglückwünschte sich zu seinen übersinnlichen Fähigkeiten... das war doch Telekinese vom Feinsten.
Sein breites Grinsen verblasste aber etwas, als Jeff hereingeschlurft kam, irgendetwas vor sich hin nuschelte was nicht einmal mit viel gutem Willen als Begrüßung durchging und sich der Länge nach auf sein Bett fallen ließ.
"Was für eine Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?", fragte er, während er sich aufrappelte und erst einmal die Tür schloss, die sein Mitbewohner offen gelassen hatte.
Solange Jeff jammerte war es nicht zu besorgniserregend, zumindest glaubte Nick das.
Richtig gruselig wurde es erst, wenn der Blonde ganz still wurde.
Nick hockte sich vor das Bett von seinem besten Freund und stupste ihn an.
"Komm, schieß los. Was ist mit dir?"

'Die Schule nervt, meine Französisch-Arbeit ist wahrscheinlich trotz Kurts exzessiver Nachhilfe völlig daneben gegangen und ich muss die ganze Zeit an dich denken, obwohl wir den ganzen Tag aufeinander hocken, an deine Stimme, an dein Lächeln, an jede deiner freundschaftlichen Berührungen, die alle viel zu kurz sind, als dass sie mir reichen würden, aber lang genug, dass sie mich völlig aus dem Konzept bringen und DASS DU MICH JETZT AUCH NOCH ANSTUPST, MACHT ES NICHT BESSER, DU BLÖDER MISTSACK!!!'
Huh, das wär schön, wenn er das sagen könnte.
Nicht das mit dem Mistsack, das war ihm raus gerutscht.
Halt, war es gar nicht, er hatte ja gar nichts gesagt.
Schwein gehabt.
"Français est un grande... brin... bron...", nuschelte er und drehte den Kopf zur Seite. "Siehst du? Ich weiß nicht mal, was 'Wichser' auf Französisch heißt, wie soll ich dann jemals meinen Abschluss in dieser Sprache schaffen? Ich hatte immer die utopische Hoffnung, dass man als Schwuler automatisch diese Sprache beherrscht. Muss doch zu irgendwas gut sein..."

Da lag also der Hund begraben.
Die Französisch Klausur, die Nick schon im Vorfeld verflucht hatte, weil Jeff mehr Zeit bei Kurt verbrachte als mit ihm.
Zumindest war es ihm so vorgekommen.
Und wenn auch vielleicht nicht mehr Zeit, dann doch wenigstens zu viel.
"Branleur", antwortete Nick grinsend und schob Jeff etwas weiter auf sein Bett, damit er sich neben ihn setzen konnte.
"Das Wort gehört zu denen, die man in jeder Sprache können sollte. Man weiß nie wofür das mal gut sein kann. Aber ich glaube nicht, dass das in der Abschlussarbeit abgefragt wird, also bist du auf der sicheren Seite."
Über Jeffs Argument, dass man als Schwuler automatisch Fränzösisch können müsste, hätte er am liebsten den Kopf geschüttelt, was er sich nach einem weiteren Blick auf den geknickten Jungen allerdings lieber verkniff.
"Die meisten sind wirklich gut in Französisch, das stimmt schon... Aber wenn du wirklich geglaubt hast, dass es dabei um die Sprache geht, bist du etwas zu behütet aufgewachsen."
Er unterdrückte das Bedürfnis Jeff tröstend durch die Haare zu wuscheln.
Das war ihm in letzter Zeit öfter passiert, aber das war ja auch eigentlich kein Wunder.
So unglaublich blond wie Jeff nun einmal war... davon wurde man angezogen wie eine Motte vom Licht.
Nur, dass Jeff schon immer diese Haarfarbe hatte.
Und dass Nick sich noch nicht lange mit einer Motte verglich.
Um seine Hände zu beschäftigen, klatsche er sie einmal laut zusammen.
"Na komm. Jetzt kannst du eh nichts mehr ändern. Du darfst jetzt nicht den ganzen Tag schlechte Laune haben, sonst steckst du mich an, wir streiten uns oder machen irgendwas dass alle anderen vermuten wir würden Streiten, verwickeln Kurt und Blaine mit in die Geschichte und schon ist das Chaos komplett. Der einfachere Weg ist jetzt zu Lächeln und gut drauf zu sein. Du darfst auch aussuchen was wir heute machen, ist das nicht ein Deal?"

"Branleur, Branleur, Branleur...", murmelte Jeff, um es sich auch wirklich zu merken und bei nächster Gelegenheit in seiner Französisch-Arbeit unter zu bringen.
Vielleicht sollte er im Unterricht nicht immer mit Blaine Franzosen-Bingo spielen und doch mal ein Ohr in den Inhalt dessen stecken, was der Lehrer so von sich gab, anstatt nur darauf zu warten, dass er fünf bestimmte Worte sagte.
Er rollte sich auf den Rücken und sah zu Nick hinauf.
Wie süß... wie er ihn mit seinem munteren, liebevollen Blick auf ihn hinunter blickte.
Wie ein großer Bruder~ nein.
Kein großer Bruder, viel mehr.
Das war ja das Problem.
"Ich will Eis essen", brummte er. "Ein Riiiiesen-Eisbecher mit fünf Kugeln, fetter Sahne und Schokolade. Und ich will ein Schirmchen. Ein blaues."
Jetzt musste er doch etwas grinsen.
"Und du kriegst ein rosafarbenes mit Hello Kitty."
Der Blonde richtete sich etwas auf und stützte sich rücklings auf seine Ellbogen.
"Lass uns in die Stadt fahren. Es ist zwar zu kalt zum draußen sitzen, aber wenn wir uns T-Shirts und Sonnenbrillen anziehen und im Eiscafé drin sitzen, können wir so tun, als kämen wir total erleichtert aus der Affenhitze ins klimatisierte Café."

"Das hört sich schon besser an."
Nick sprang vom Bett auf und hielt Jeff seine Hand hin, um auch ihn hochzuziehen.
"Wir können auch so tun, als wären wir Touristen, die ganz fasziniert davon sind wie winzig und kompakt die Innenstadt ist... obwohl, hier macht doch niemand freiwillig Urlaub? Und wo sollten wir schon herkommen? Die Franzosen würde uns ja doch niemand abkaufen."
Die kleine Spitze hatte er sich ja nun doch nicht verkneifen können.
"Dann können wir aber auch keine Jacken anziehen, sonst wird das mit dem Selbstbetrug wohl nichts...", überlegte er weiter. "Niemand trägt in der Affenhitze eine dicke Jacke. Die müssen wir dann im Auto lassen und todesmutig zum Eiscafé rennen... am besten parken wir direkt vor der Tür."
Der ganze Plan war von Anfang bis Ende Schwachsinn, aber das war ja das tolle an Jeff.
Mit ihm konnte man so viel Unfug anstellen - fast genausogut wie man mit ihm reden konnte, wenn etwas wichtig war.
Ach, an sich war alles toll, wenn der blonde Sonnenschein dabei war.
Nick zog sich seinen Pulli über den Kopf und warf ihn auf sein Bett, bevor er seinen Schrank öffnete und seine Shirts durchstöberte.
Hu, für Oben ohne war es doch ziemlich frisch.
"Ich weiß nicht was ich anziehen soll!", jammerte er und sah Jeff gespielt vorwurfsvoll an. "Du und deine Ideen... welche Farbe passt denn zu Hello Kitty Eis? Ich trag kein Rosa!"

"Oh, warte, ich helf dir, Süßer", sagte Jeff eifrig und eilte zu Nicks Schrank. "Zu Rosa... Weiß wär nicht schlecht, oder? Weiß steht dir gut, auch wenn es deine Taille etwas breit macht, aber damit kann ich leben."
Grinsend durchsuchte Jeff Nicks Schrank und zog ein weißes Shirt heraus.
"Das ist wirklich zu kalt... aber wenn wir schon dabei sind..."
Er fand noch beige Shorts, die er Nick hin hielt.
"Damit ist der Schnupfen garantiert. Bei Risiken und Nebenwirkungen und so weiter und so fort."
Und schon hatte er wieder gute Laune.
Nick war ein Zauberer, egal, wie mies Jeff drauf war, und wenn es wegen Nick war, ein paar Minuten mit seinem Mitbewohner und er war wieder auf Anschlag aufgedreht.
"Dann zieh ich mir aber auch was Kurzes an", sagte der Blonde eifrig und durchwühlte auch seinen Schrank. "Badeshorts... und ein Tanktop. Wir können auch einfach in einer Fantasiesprache quatschen und wenn jemand fragt, sprechen wir Suaheli. Oder Mandarin. Oder Klingonisch."

"I amar prestar aen, han mathon ne nen, han mathon ne chae a han noston ned 'wilith", erwiederte Nick munter.
"Das ist der Anfang von Herr der Ringe... leider das Einzige was ich auswenig kann, aber es macht schon was her, oder?"
Er schlüpfte in die Shorts und sah grinsend an sich hinunter.
"Jetzt fühl ich mich richtig nach Sommer. Eis essen und danach schwimmen gehen, wär das nicht toll? Naja... das sollten wir lieber lassen, sonst bist du morgen krank und jammerst."
Als ein kurzer Rington zu hören war, griff er automatisch nach seinem Handy, doch er hatte nichts bekommen.
"Ich glaub das warst du", informierte er seinen besten Freund. "Ich kann es schon nicht mehr auseinander halten, ich hör deinen Ton mindestens so oft wie meinen eigenen."

"Verstörend genug", sagte Jeff und lachte. "So was merkst du dir, aber an deine Hausaufgaben und das Lernen muss ich dich immer erinnern."
Er tastete nach seinem Handy und sah drauf.
Seine Augen weiteten sich.
"Ups", sagte er und sah zu Nick auf. "Heute ist Tylers Verlobungsparty. Die hab ich voll vergessen."
Er kratzte sich grinsend am Hinterkopf.
"Da hast du auch nicht dran gedacht, oder? Aber da müssen wir hin. Und es gibt Bier für Lau", fügte er hinzu.
Das sollte reichen, damit die Entscheidung fiel.
Wo es Freibier gab, waren Nick und er immer am Start.

"Oh."
Nick schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn.
"Ja, das habe ich wirklich vergessen. Aber Freibier klingt auch gut. Wir können ja morgen Eis essen gehen, okay?"
Er warf einen Blick auf seine Uhr.
"Ich fürchte, dann können wir auch direkt anfangen uns fertig zu machen. Es sei denn, du willst aus der Verlobungsparty eine Sommerparty machen. Das können wir natürlich auch, vielleicht haben sie ja diese kleinen Cocktailschirmchen, dann wäre das Strandfeeling komplett. Aber ich fürchte Kurt dreht uns den Hals um. Und mit einem wütenden Kurt möchte ich mich nicht anlegen."
Nick schauderte. Kurt war manchmal wirklich unheimlich, wenn er kratzbürstig würde.
Und so wie er sich in die Planung der Party gestürzt hatte, würde er auf jeden Fall nicht begeistert sein, wenn etwas durcheinander geriet.
Andererseits hatte er ja von vornherein gewusst, dass jede Menge Warbler kommen würden.
Da lief doch nie etwas nach Plan.

"Lass uns morgen Sommerparty machen. Kurt hat mir so viel Nachhilfe in den letzten Tagen gegeben, ich will ihm seine Party nicht versauen. Also, nicht wissentlich. Nicht absichtlich. Oder... zumindest nicht allzu offensichtlich."
Jeff grinste und griff wieder in seinen Schrank, um sich ein ordentliches Partyoutfit rauszusuchen.
Er zog sich seinen Dalton-Blazer und das Hemd aus und hängte beides in den Schrank, dann ging er ins Bad, um sich etwas frisch zu machen und mit Deo einzudieseln.
Auf dem Weg zum Bad glitt sein Blick kurz zu Nick, der sich gerade auch seines Oberteils entledigt hatte.
Das sah so gut aus... warum machte es ihn nur bei Nick so nervös, wenn er mal obenrum nackt war?
Jahrelang hatte es ihm überhaupt nichts ausgemacht.
Warum jetzt auf einmal?
Gut, jetzt war das falsche Wort, schon seit ein paar Monaten war er völlig verwirrt.
Schnell wandte er den Blick ab und huschte ins Bad, wo er sich auch gleich um seine Haare kümmerte.

"Es überrascht mich eh, dass er sich aufs Lernen konzentrieren konnte", antwortete Nick laut, damit Jeff ihn im Badezimmer hören konnte.
"Ich hatte schon vermutet, dass er dich in der Zeit die Gästeliste überprüfen lässt oder etwas in der Art."
Schnell zog er sich komplett um, dann folgte er Jeff ins Bad.
"Ich darf doch mal, oder?", fragte er und schappte sich Jeffs Deo, ohne auf eine Antwort zu warten. "Ich wollte mir eigentlich schon neues kaufen, aber irgendwie hab ich das ganz vergessen."
Er stellte das Deo wieder zur Seite und griff nach einer Bürste, um sich damit durch die Haare zu gehen.
Als er in den Spiegel sah verzog er allerdings wenig begeistert sein Gesicht. Das sah furchtbar angeklatscht aus.
Er fuhr ein paar mal mit seinen Fingern durch die dunklen Strähnen um alles etwas aufzulockern. Viel besser.
"Manchmal bin ich neidisch auf deine Haare, die sehen immer gut aus", stellte er fest als er Jeff im Spiegel sah. "Aber ich hab keine Geduld so lange daran herumzuzupfen. Schaffst du es denn heute noch? Sonst kommen wir erst, wenn alle schon voll sind."

"Tu doch nicht so, du stehst drauf, so zu riechen wie ich", grinste Jeff und knuffte Nick in die Seite.
Dann konzentrierte er sich wieder auf seine Haare.
"Dankeschön", sagte er erfreut auf das Kompliment zu seinen Haaren. "Du könntest auch so gut aussehen wie ich, wenn du dir etwas mehr Mühe... nein. Eigentlich kannst du niemals so gut ausehen wie ich."
Er zwinkerte Nick zu und legte noch kurz eine Strähne in die perfekte Richtung, dann griff er nach seinem Haarspray und betonierte alles ein.
"Ah... warte mal", sagte er und griff Nick in seine Haare, um sie auch irgendwie zu retten.
Nicks Haare konnten ihn aber auch aufregen.
Immer durcheinander oder platt... das war doch nervig, das ständig zu sehen.
So nervig, dass er es nicht oft genug sehen konnte.
"Okay, so kann ich dich raus lassen, Mogli", sagte er schließlich und sprühte noch etwas Haarspray in die dunklen Haare, dann stellte er die Dose beiseite und ging ins Zimmer zurück, um sich umzuziehen.

"Tja, du glänzt mit deinem Aussehen, dafür bin ich lauter. So können wir beide nicht übersehen werden."
Er schloss die Augen, als Jeff begann an seinen Haaren herumzuzupfen.
Wenn der Blonde erstmal loslegte, hatte man schnell eine Ladung Haarspray in seinen Augen, bevor man überhaupt schnallte was los war.
Und richtig, da sprühte er auch schon drauf los.
Eigentlich schade, Jeffs Finger in seinen Haaren waren angenehm gewesen.
Angenehmer als es sich anfühlen sollte.
Angenehmer als es sich anfühlen durfte.
Verdammt... Was war nur los?
Eigentlich wusste er das ziemlich genau. Aber das hieß nicht dass er mit seinen Gefühlen einverstanden war.
Bei Jeff würde er eh niemals eine Chance haben.
Kam heute wohl irgendwer, mit dem er sich... naja, ablenken konnte?
Wahrscheinlich eher nicht.
Das könnte schwierig werden.
"Bist du so weit?", fragte er, als er in ihr Zimmer zurück ging. "Wie machen wir das? Hinfahren und das Auto stehen lassen? Direkt ein Taxi nehmen? Und wag es jetzt nicht zu sagen, dass einer nüchtern bleiben muss."
Er ging um Jeff herum und musterte ihn prüfend.
"Doch, so nehme ich dich mit."

"Oh, du schmeißt heute aber auch mit Komplimenten um dich", meinte Jeff und gab Nick einen kurzen Kuss auf die Wange.
Ah, verdammt...
Früher war das so einfach gewesen, da hatten sie das ständig gemacht.
Und sich umarmt und auch mal in einem Bett gelegen, alles kein Problem.
Jetzt ging das nicht mehr, jetzt war es... zu aufregend.
Jeff wandte sich schnell ab und schloss seine Schranktüren, dann nahm er seine Tasche udn ging zur Tür.
"Auto stehen lassen", entschied er. "Dann müssen wir nicht die böse Treppe ins Internat hoch, sondern können da auf den Fliesen pennen."
Er grinste Nick an, dann verließ er das Zimmer.

---> Haus von Familie Fabray; Vor dem Haus//