"Hm...", machte Jeff lächelnd und betrachtete Gabriels Gesicht, das nahe vor seinem war und so unglaublich freundlich aussah.
Kein Wunder, dass so viele gerne mit ihm in die Kiste stiegen.
Er war ein echter Gentleman, zuvorkommend, sanft und gut drauf.
Und er machte nicht den Eindruck, irgendwie verärgert zu sein, weil Jeff die Grenze abgesteckt hatte.
Auch wenn Jeff wusste, dass er dem Lockenkopf nicht allzu wichtig war und dass er eigentlich nur darauf aus war, Spaß und möglichst auch Sex zu haben.
Aber ihm ging es ja nicht anders.
Er hatte Gabriel auch nur aus dem Grund angesprochen, auch wenn der Sex nicht in seiner Planung war.
Jetzt konnte er Nick irgendwie nachvollziehen, der ja auch immer so drauf gewesen war.
Es hatte ihn immer verletzt, dass sein bester Freund einfach so herum gevögelt und gemeint hatte, die Jungs wären ihm im Grunde egal, er wolle nur Druck abbauen.
Jetzt hatte er dasselbe gemacht.
Und dafür hatte er seinen Nicki angelogen.
Weil er genau wusste, dass es scheiße war, was er hier tat.
"Ich würde so gern", sagte er und lächelte entschuldigend, während er dem Senior über die Wange streichelte. "Aber ich hab noch was zu erledigen und das kann echt nicht warten."
Er beugte sich vor und gab Gabriel einen sanften Kuss, dann setzte er sich auf und angelte nach seinem Hemd.

Jeff sah auf seinen Schritt hinunter, während er sich seine Krawatte band, als Gabriel so demonstrativ darauf blickte.
"Oh... ja, naja, ein paar Minuten vielleicht", sagte er verlegen grinsend. "Aber brauchst mir kein neues Bier geben, mein erstes ist noch halb voll."
Er griff direkt danach und trank einen großen Schluck, um das flaue Gefühl in seinem Magen zu betäuben.
Wie er es auch drehte und wendete, er wurde das Gefühl nicht los, Nick betrogen zu haben.
Sie waren nicht zusammen, trotzdem.
Er hatte gar keinen Sex mit Gabriel gehabt, nicht mal einen Abgang, trotzdem.
"Kann ich dich was fragen?", meinte er zögernd und sah zu dem Älteren auf. "Warst du schon mal verliebt? Also, so richtig mit Bauchkribbeln und all dem rosa Teenie-Kram?"
Hoffentlich war das jetzt nicht unangebracht.
Theoretisch kannten sie sich gar nicht.
Aber genau aus dem Grund konnte es auch okay sein, dass er fragte.

Jeff, dem eben noch etwas mulmig bei der Frage gewesen war, musste jetzt fast lachen, als Gabriel beinahe einen Herzinfarkt bekam.
"Nein, so meinte ich das nicht", gluckste er und beobachtete, wie sich der Senior neben ihm aufs Bett fallen ließ. "Ich hab nur... ziemlich lange gedacht, dass das mit dem Rummachen und Sex nur funktioniert, wenn man in die Person auch verliebt ist. Darum find ich das mit Nick auch immer so seltsam, wenn er sagt, dass das alles ohne Gefühle läuft. Ungelogen, ich dachte eine Zeit, du und Nick wären zusammen."
Der Jüngere fuhr sich nachdenklich über den Nacken und zuckte dann mit den Schultern.
"Aber offensichtlich funktioniert es ja doch ganz gut. Ich kann nicht gerade behaupten, dass es mir gerade nicht gefallen hat, aber irgendwelche Gefühle hab ich nicht für dich. Stattdessen... bekomme ich Beklemmungen, wenn es um eine Person geht, für die ich Gefühle habe. Das ist... ziemlich verwirrend."
Jeff sah verlegen lächelnd zu Gabriel auf.
"Aber wenn du sagst, dass du an so was wie einer Beziehung kein Interesse hast... keine Ahnung, wahrscheinlich ist das wirklich einfacher."

"Dafür, dass du der falsche Ansprechpartner bist, klingt das, was du sagst, aber gar nicht so dumm", meinte Jeff lächelnd. "Wart's mal ab, irgendwann verschießt du dich auch noch und dann gibt es gar niemanden mehr, der den kleinen Gary bürstet, der Arme."
Der Jüngere lachte und trank sein Bier aus.
"Wahrscheinlich bin ich trotzdem eher der Beziehungstyp", meinte er dann und stand auf. "Keine Ahnung, warum ich dich das gefragt hab, vielleicht, weil ich allgemein schlecht meine Klappe halten kann. Trotzdem danke."
Jeff warf die Dose in den Mülleimer und beugte sich dann zu Gabriel hinunter, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben.
"Hat echt Spaß gemacht", sagte er, dann ging er zur Tür. "Ach, und danke für das Kompliment, dass ich heiß bin", fiel ihm noch ein und er grinste den Älteren an, dann verschwand er durch die Tür, gerade in dem Moment, als sein Lächel-Akku aufgebraucht war.
Er zog die Tür ran und legte eine Hand über seine Augen, während er tief durchatmete.
Gott, kam er sich gerade schmutzig vor.
Mit Nick machte er Schluss, weil es ihm mit dem Sex zu kompliziert war, und nicht mal eine Woche später machte er mit der Schulschlampe herum.
Immerhin, das Bier half, sonst würde er jetzt wahrscheinlich schon heulen.
Warum war das mit der Liebe nur so kompliziert?
Er zweifelte keine Sekunde daran, dass er Nick liebte.
Und Nick liebte ihn.
Und sie waren zusammen gewesen.
Warum hatte es trotzdem nicht geklappt?
Jeff ging zur Treppe und hinunter auf den Warblerflur.
Als er meinte, dass er sich wieder etwas gefangen hatte, ging er ins Zimmer, wo er diesmal auf den auf dem Bett sitzenden Nick vorbereitet war.
"Hey", sagte er, wie kreativ.
Genau so hatte es vorhin auch angefangen.
Jeff stellte seine Tasche neben seinen Schreibtisch und lehnte sich dann mit dem Hintern gegen die Kante.
"Steht das Angebot mit dem Eis noch?", fragte er und zwang sich wieder zu einem Lächeln.
Na bitte, ging doch.
Nick war ein Lächel-Ladeakku.
Egal, wie scheiße es gerade zwischen ihnen lief, das Lächeln funktionierte bei seinem Nick immer.
Halt, nicht bei seinem Nick.
Nur bei Nick.

---> Nicks und Jeffs Zimmer//

"Naja...", meinte Jeff zögernd und öffnete seine Bierdose. "Ich bin ungefähr eine halbe Stunde nach der Sache hier wieder mit Nick zusammen gekommen, also... wär's seltsam gewesen, wenn ich nochmal bei dir auf der Matte gestanden hätte, oder?"
Schon komisch, dass Gabriel jetzt solche Andeutungen machte.
Bei Nick, als der noch zu den drei großen Aufreißern gehört hatte, war immer eine goldene Regel gewesen, niemals jemandem den Freund weg zu vögeln.
Irgendwie hatte Jeff gedacht, dass das auch auf Gabriel zutraf.
Auf Sebastian nicht, der hatte ja schon so einige Beziehungen zerstört, die aber auch nicht allzu toll gewesen sein konnten.
Wer würde denn freiwillig mit einem schlafen und seine Beziehung zerstören lassen, der offenkundig gar nicht für irgendwelche Gefühle zu haben war?
Es schien fast so, als wolle Gabriel jetzt auch auf so was hinaus, dabei wusste der ganz genau um Jeffs Beziehung mit Nick.
"Naja, Nick und ich sind grad ein Bisschen aneinandergeraten. Nichts weltbewegendes, aber die Stimmung hat es mir schon ein Bisschen versalzen. Ich wollt eigentlich nur ins Bett, aber... naja, wer kann schon zu einem Bier nein sagen?"
Grinsend prostete Jeff Gabriel zu und trank dann.
Eigentlich wusste er gerade nicht wirklich, ob er mit dieser Aktion hier Nick ärgern wollte oder ob er wirklich hier war, weil er es genoss?
Er mochte es, so interessant zu sein, von Gabriel ein bisschen gemustert zu werden und zu hören, dass er es schade fand, dass sie nur einmal rimgemacht hatten.
Nicht, dass er das Gefühl bei Nick nicht hätte, im Gegenteil, aber es war allgemein toll, begehrt zu werden.
Wer fand das schon scheiße?
Davon konnte Nick ja ein Lied singen.

"Eben hast du noch gesagt, du hättest das Gefühl, es wär schon nach vier", meinte Jeff ziemlich verlegen. "Und jetzt willst du hier noch eine Party schmeißen? Ich dachte, mich an einen 'Absacker' erinnert zu haben."
Jetzt wollte Gabriel ihn schon abfüllen...
Aber da würde der Warbler nicht mitmachen.
Er kannte sich selbst und wusste, wie bekloppt er war, wenn er richtig voll war.
Und wie anhänglich... er wollte ja, dass Nick ihm vertraute, und wenn er komplett blau war, vertraute er sich selbst nicht.
"Nein, ich bleib bei diesem einen Bier. Aber du hattest doch was von Cola gesagt..."
Was machte er denn hier?
Er schlug noch mehr Zeit raus, die er hier bleiben konnte... bloß wegen der blöden Komplimente?
Wegen Gabriels Blick, der ihn so begehrend streifte?
Er wollte doch gar nichts von dem Sportler.
Er wollte am liebsten zu Nick und mit ihm kuscheln, ein Bisschen knutschen und so richtig abstürzen mit den rainquilanischen Erdbeer-Regenbogen-Marshmallow á la Anderson... bitte, zu betrunken war er noch nicht, er konnte den Namen immerhin noch fehlerfrei denken.
Aber Nick und er hatten Stunk, und so wie er Nick kannte, hatte der sich jetzt auch ganz zuverlässig alleine abgeschossen.
Dann konnten sie eh nicht richtig reden.
Aber sich vielleicht versöhnen... Nick war doch auch anhänglich, wenn er betrunken war.
"Ich hab doch Spaß", lächelte Jeff. "Ich hab schon genug von den Gummibärchen-Drinks gekippt, ich bin gut drauf."
Ob Nick schon im Zimmer war?
Wahrscheinlich nicht.
Eher wurde er von den anderen beim Aufräumen mit raus gekehrt und in ihrem Zimmer abgeliefert, wo er sich aufs Bett fallen ließ und mit Armen und Beinen von sich gestreckt einschnarchte.

Jeff sah den älteren Schüler etwas unbehaglich an.
Jetzt wurde es ihm irgendwie doch zu knisternd zwischen ihnen.
Was erwartete Gabriel, dass sie hier im Zimmer zu tanzen anfingen?
Dass das irgendwie im Bett landen würde?
Jeff fand es gut, ein Bisschen angehimmelt zu werden, oder auch etwas mehr angehimmelt zu werden.
Aber er würde sich hier nicht auf irgendwas einlassen.
"Wenn ich ehrlich bin, bin ich eigentlich schon ganz schön müde", meinte er also und lächelte entschuldigend. "Ich glaub, ich mach mich jetzt lieber zurück in mein Zimmer. Wir treffen uns doch bestimmt noch mal, auf dem Gang oder im Speisesaal. Dann können wir noch ein Bisschen quatschen."
Der Warbler stand auf und leerte sein Bier.
"Wahrscheinlich hat sich Nick schon ordentlich weg geschüsselt", argumentierte er weiter, auch wenn er eigentlich keine Ausreden bräuchte, jetzt zu gehen. "Ich sollte nach ihm sehen."
Eigentlich konnte sich Jeff wirklich nicht vorstellen, dass Gabriel sich irgendwelche Hoffnungen bei ihm machte.
Er war doch vergeben, er hatte Nick.
Und den würde er bestimmt nicht aufgeben.